Rundfunkbeitrag: TV-Steuer auch für Blinde

Seit 1. Januar zahlen auch Sehbehinderte den neuen Rundfunkbeitrag für öffentlich-rechtliche Sender. Die Abgabe ist umstritten – ARD und ZDF können mit Millionen Mehreinnahmen rechnen
Georg Thanscheidt |
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Auch Sehbehinderte müssen den Rundfunkbeitrag zahlen.
dpa Auch Sehbehinderte müssen den Rundfunkbeitrag zahlen.

Seit 1. Januar zahlen auch Sehbehinderte den neuen Rundfunkbeitrag für öffentlich-rechtliche Sender. Die Abgabe ist umstritten – ARD und ZDF können mit Millionen Mehreinnahmen rechnen

München - Karl Müller ist empört. Der zuckerkranke Rentner aus Altötting ist nach einem Schlaganfall erblindet. Bisher war er von den TV-Gebühren befreit – aber nun bitten ihn die öffentlich-rechtlichen-Sender zur Kasse: Den seit 1. Januar geltende Rundfunkbeitrag – auch TV-Steuer oder ARD/ZDF–Zwangsabgabe genannt – muss auch er bezahlen. Zwar nicht den vollen Satz – jeder Haushalt zahlt ab sofort 17,98 Euro im Monat – aber einen ermäßigten Beitrag von 5,99. Nu wer blind und taub ist, muss weiterhin nichts zahlen: „Ich seh nichts und muss zahlen, das finde ich unmöglich“, findet Müller.

Er ist nicht der einzige, den die TV-Steuer aufregt: Der Sozialverband Deutschland bezeichnet die neue TV-Steuer für Behinderte als „Irrsinn“. Der Protest sorgte zumindest dafür, dass Demenzkranke in Pflegeheimen von der neuen Abgabe befreit sind. „Das wäre unmenschlich und niemandem zu erklären“, befand der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor im „Spiegel“.

Unerklärlich findet das neue Finanzierungsmodell von ARD, ZDF und Deutschlandsradio auch der Passauer Jurist Ermano Geuer. Da die Bundesländer in Deutschland über die Finanzierung der Sender entscheiden, hat er beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof Klage gegen die Neuregelung eingereicht (s. Interview). Es ist die erste Klage gegen die TV-Steuer, die den Öffentlich-Rechtlichen im Jahr 7,5 Milliarden Euro einbringt. Damit werden 22 Fernsehsender, einige Internetportale und – je nach Zählweise – zwischen 67 und mehr als 100 Radiosender finanziert.

Geuer hält die Ablösung des ungeliebten GEZ-Modells durch eine Steuer, die proHaushalt gezahlt wird, für verfassungswidrig. Viele Deutsche halten die TV-Steuer zumindest für ungerecht – weswegen die nächsten Klagen schon absehbar sind. Derzeit sind mehrere tausend Eingaben in den jeweiligen Landesparlamenten eingegangen – von Bürgern, die nur Radio hören, dafür bisher 5,76 zahlten und nun nicht einsehen, dass sie den TV-Konsum der anderen dadurch finanzieren, dass sie zwölf Euro mehr zahlen.

Mehr zahlen müssen auch viele Firmen: Das liegt daran, dass seit dem 1. Januar nicht mehr die Zahl der Geräte in den Unternehmen entscheidend ist, sondern die Zahl der Betriebsstätten und der Mitarbeiter. Unternehmen mit vielen Filialen zahlen drauf. Besonders absurd ist die Neuregelung in der Hotellerie: Während hochpreisige Unterkünfte mit TV im Zimmer günstiger wegkommen, zahlen Jugendherbergen für jedes ihrer geschätzten 250.000 fernseherlosen Zimmer künftig 5,99 Euro.

Nach Berechnungen des Autovermieters Sixt nehmen ARD und ZDF so 1,5 Milliarden Euro mehr ein, davon 600 Millionen von Bürgern. Die Sender bestreiten das. Eine Schätzung der GEZ wird unter Verschluss gehalten. Die zuständige „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“ geht laut Handelsblatt von 75 Millionen Mehreinnahmen im Jahr aus.

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