Luther: Die Starke Frau und der Workaholic
Glaubwürdig und spannend: Die ARD zeigt „Katharina Luther“. Aber was weiß man von der außergewöhnlichen Frau und Ex-Nonne, die wagte, Martin Luther einen Heiratsantrag zu machen?
Nach einem heimlichen Brief Luthers an Katharina von Bora und ihre Mitschwestern flieht die Nonne mit Gesinnungsgenossinnen nach Wittenberg, wo sie anderthalb Jahre später 1525 den 42-jährigen Martin Luther heiratet – ein europaweiter Skandal und der Beginn eines berührenden Eheabenteuers. Die ARD zeigt den Fernsehfilm „Katharina Luther“. Christian Schnalke hat sich als Drehbuchautor in Leben und Zeit eingearbeitet.
AZ: Herr Schnalke, wenn man ein historisches Stück schreibt, welche Zugeständnisse an die Moderne muss man machen?
CHRISTIAN SCHNALKE: Es gibt da lustige Sachen: Wenn zum Beispiel auf Luthers überladenem Schreibtisch Papierbögen liegen, denken alle: Die müssen damals so papyrusartig, grob und gelblich gewesen sein! Aber sie waren geschöpft und blütenweiß, nur glaubt das keiner. Also nimmt man doch wieder gelblicheres! So muss man einen Spagat machen zwischen historisch und heutiger Erwartung. Ich persönlich fühle mich stärker der Historie verpflichtet.
Aber Katharina, Luther, die Cranachs und selbst der Gelehrte Melanchthon reden bei Ihnen sehr heutig.
Ich finde es „wanderhurig“, wenn man Figuren so mit „er möge“ reden lässt. Ich habe beste Erfahrung mit der heutigen Sprache gemacht. Alles andere ist künstlich und oft peinlich. Außerdem: Wir haben aus der Zeit ja nur schriftliche Zeugnisse, und man schreibt anders, als man spricht. Die Leute haben im Alltag nicht geschraubt gesprochen. Natürlich gibt es beim Drehbuchschreiben Regeln: Keine Redewendungen oder Sprichwörter, die es noch nicht gab! Ansonsten gilt: weder modern cool noch pseudomittelalterlich, sondern gerade heraus, wie Luther ja auch selbst war.
Von Katharina Luther, die im Mittelpunkt des Films steht, wissen wir aber weniger.
Ja, da muss man sich dann einfühlen: wahrhaftig sein statt rein historisch wahr.
Katharina Luther galt als raffgierig und hart.
Wenn ich heute mit meinem sechsjährigen Sohn einen Ausflug mache, ihn dann einfach in einem Kinderheim abgebe und sage: „Mami und Papi fahren jetzt weg. Ich wünsch’ dir ein schönes Leben“, so wie Katharina im Kloster abgegeben wurde, dann ist klar, warum sie später versucht hat, auch materiell möglichst große Sicherheit zu schaffen. Und die Kinder wollte sie möglichst lange bei sich halten.
Das Ehepaar Luther verliert von seinen sechs Kindern zwei durch Krankheit im Kindesalter: Elisabeth stirbt mit einem Jahr, Magdalena mit zwölf.
Das war für mich zentral. Denn man denkt: Krankheit und Tod waren damals allgegenwärtig, und dann ist halt mal ein Kind gestorben, und man glaubte ja an Gott und hatte ja noch viele andere. Das halte ich – auch durch meine Beschäftigung mit der Familie Luther – für einen Irrglauben. Für Martin Luther weiß man, dass ihn der Tod seiner zwölfjährigen Tochter tief getroffen hat, ja in eine Lebenskrise gestürzt hat, die er Jahre lang aufarbeiten musste.
Sie machen das im Film zum Prüfstein der Ehe.
Luther sagt, als Katharina von Bora ihm einen Heiratsantrag macht, er sei nicht für die Ehe geschaffen. Luther war schon 42 Jahre, glaubte an seine Mission, war ein Workaholic, der mit ganz Europa korrespondierte. Und da kam diese selbstbewusste Frau, die er später ja frech-liebevoll mit Spitznamen „Herr Käthe“ nannte. Die Ehe der Luthers ist erst gewachsen, war am Anfang eine riesige Provokation: Ex-Mönch heiratet entlaufene adelige Nonne! Dann aber haben sie sich wirklich lieben gelernt. Und es gibt ja noch diese tief berührenden, wunderbaren Liebesbriefe Luthers an seine Frau.
Was ist das Problem, wenn man Katharina in den Mittelpunkt stellt statt Luther?
Historisch keines. Denn als Katharina und Martin Luther zusammenkamen, waren seine großen Auftritte wie in Augsburg oder beim Reichstag in Worms schon vorbei. Der reformatorische Kampf war einem politischen Gezerre und Kleinklein gewichen. Nur gibt es über Katharina weniger Quellen als über ihren weltberühmten Mann. Da denkt man schnell: Ach, ich nehme die paar Quellen und viele gute Anekdoten!
Die Aneinanderreihung von guten Episoden ergibt noch keine gute Geschichte.
Also habe ich überlegt, was die beiden zusammengehalten hat, was für eine Frau Katharina war und warum sie überhaupt geheiratet haben, was man gar nicht genau weiß. Für mich war Katharina in einem psychischen Zwiespalt: Sie hatte Sehnsucht nach Familie, gleichzeitig das Kindheitstrauma, als man sie ins Kloster steckte, um einen Esser weniger zu Hause zu haben, und mit ihr als Nonne das Seelenheil der Familie zu retten. Also wollte sie sich später nicht mehr völlig unterordnen und selbst auf beiden Beinen stehen.
Das klingt nach einer emanzipierten, modernen Rückprojektion in die Vergangenheit.
Das glaube ich eben nicht! Katharina war einerseits ihrer Zeit voraus, andererseits war es damals nicht ungewöhnlich, dass eine Frau die gesamte Hauswirtschaft führte. Im Falle der Luthers war es das gesamte Familien- und Gästehaus im „Schwarzen Kloster“ mit Landwirtschaft.
Luther selbst hatte zum ehelichen Sex ja ein unverkrampftes Verhältnis. Er hat mit seinem lässigen Spruch, „In der Woche zwier schadet weder ihm noch ihr!“ der Sache jegliche Sündhaftigkeit genommen. Dennoch zeigen Sie das Ehepaar nicht beim Sex.
Ich finde immer: Sexszenen stören den Fluss einer Geschichte, weil dann jeder plötzlich nur noch auf die Körperlichkeit achtet und sich fragt: Wie weit gehen die? Sexszenen schieben sich immer in den Vordergrund, was vom Eigentlichen einer Geschichte ablenkt. So haben wir in unserem Film unverklemmt, aber nur metaphorisch gearbeitet.
Mittwoch, 22. Februar, ARD, 20.15 Uhr mit anschließender Doku „Luther und die Frauen“. Zusatzinfos: www. DasErste.de/Katharina-Luther
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