Kritik zum Münster-Tatort "Des Teufels langer Atem": Ganz schön viele Zufälle
Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung des "Tatort: Des Teufels langer Atem". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes, bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 16.01.2022, 20.15 - 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).
20 Jahre, 40 Fälle. Deutschlands beliebtestes "Tatort"-Team serviert uns in der Jubiläumsfolge "Des Teufels langer Atem" eine Münsterländer Version der Hollywood-Comedy-Trilogie "Hangover". Die Ausgangssituation "Kommissar unter Mordverdacht" ist dabei keinesfalls ausgelutscht. In dieser wilden Kombi dürfen Rechtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers) und Kommissar Thiel (Axel Prahl) all ihre Stärken ausspielen, und bekommen gleichzeitig auf amüsante und teilweise echt ergreifende Art und Weise ihr Fett weg.
"Tatort: Des Teufels langer Atem": Zufälle gibt's...
Thiel wacht nach durchzechter Nacht mit Brummschädel und ohne Erinnerung auf, sein Kompagnon erwartet ihn schon, bereit, die erste Salve des bekannten Frotzeleien-Feuerwerks auf ihn abzufeuern. Dann wird es aber ganz schnell haarig. Thiel, der die letzten Stunden über psychedelisch dargebotene Flashbacks Stück für Stück rekonstruiert, stößt nach 39 Fällen erstmals ernsthaft an seine emotionalen Grenzen: Nicht nur, weil die Ärztin Dr. Kühn (Kim Riedle), die zufällig die Tochter des Mordopfers ist, das zufällig Thiels Ex-Chef ist, den er vor über 20 Jahren wegen Mordes ins Gefängnis brachte, ihm offenbart, dass sein Hippie-Papa (Claus. D. Clausnitzer) einen inoperablen Hirntumor hat. Sondern auch, weil glasklare Indizien ihn schnell zum Hauptverdächtigen machen.
Weil die Rechtsmedizinerin (Judith Goldberg), die den Tatort untersucht, an dem Thiel und Boerne zufällig vorbeikommen, zufällig auch noch eine ehemalige Studentin Boernes ist, zitiert dieser Napoleon treffend mit den Worten: "Der Zufall ist der einzige legitime Herrscher des Universums." Dass am Ende doch alles einen, wenn auch etwas weit hergeholten, Sinn ergibt, kann er da ja noch nicht wissen.

Warum Fans den Münster-"Tatort" lieben
Ob der vielen Unerklärlichkeiten verzeiht man dem geschundenen Thiel, dass er sich (für einen Mordverdächtigen eher unklug) immer wieder wie ein Verrückter gegen den Kopf trommelt, plärrt und irrlichtert und fühlt ergriffen mit, als er seinem Vater nicht nur dessen Gras in einer Dose Erbsensuppe (ein guter Kiffer hat gute Verstecke) sondern auch die Hiobsbotschaft überbringt.
Thorsten Weddcke (Buch) und Francis Meletzky (Regie) vermengen hier den Münster-Witz perfekt mit leisen Charaktermomenten, und führen dem Fan unaufdringlich vor Augen, warum er das ulkige Duo – und selbst den eingebildeten Pinkel Boerne – so liebt. "Weil sich hinter dem boern'schen Dreiklang von Narzissmus, Chauvinismus und Sarkasmus ein feiner Mensch versteckt, den ich über die Jahre schätzen gelernt habe", sagt seine Assistentin "Alberich" (Christine Urspruch) mal und trifft den Nagel auf den Kopf. Die starke Banafshe Hourmazdi als Kommissarin Annika Kröger, viele witzige Details und "Vadderns" Drogen-Expertise machen dieses Jubiläum zum sehenswerten Erfolg.