Juristischer Gegenwind gegen den Bayerischen Rundfunk

"Ich kann das nicht verstehen“, sagte Mariss Jansons kürzlich zu den Plänen des Bayerischen Rundfunks, die eigene Klassikwelle bald ins Digitalradio zu verbannen. Nikolaus Harnoncourt wundert sich: „Wer hat solche Ideen? Ich kann es nicht fassen.“ Eine Online-Petition wurde von 30<TH>000 Hörern unterschrieben, die sich fragen, wie ernst der BR seinen Kulturauftrag eigentlich noch nimmt.
Nun gibt’s juristischen Gegenwind: Der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart hält die Pläne für verfassungswidrig. Die geplante Verbreitung von BR Puls auf UKW zu Lasten der Klassikwelle verstoße gegen den Grundversorgungsauftrag, der einen kulturellen Auftrag mit Verfassungsrang beinhaltet. Laut § 19 des Rundfunkstaatsvertrags der Länder sei es unzulässig, bisher ausschließlich digital verbreitete Programme analog zu verbreiten.
Eine ähnliche Auffassung vertrat kürzlich der Medienrechtler Johannes Kreile. Aber wie es unter Juristen üblich ist: Zu jedem Gutachten gibt es ein Gegengutachten: BR-Justiziar Albrecht Hesse verweist auf das Bayerische Rundfunkgesetz. Es formuliere einen Entwicklungsauftrag. Um ihm gerecht zu werden, müsse das Angebot zeitgemäß fortentwickelt werden. Deshalb sei es zulässig, die Wellen von BR Klassik und des Jugendsenders zu tauschen.
Chance oder Untergang?
Aber nicht alle Musiker teilen die verbreitete Untergangsstimmung. Ulf Schirmer, der Chef des Rundfunkorchesters, hat sein Missbehagen überwunden. Auch der Geiger Ralf Klepper strich bei der Saison-Pressekonferenz des Orchesters die Chancen heraus: Wenn der Sender die Konzerte durch Streaming im Internet verbreite, sei das ein Gewinn für die Zuhörer.
Hörfunkdirektor Martin Wagner versicherte, dass an Stellen-Kürzungen bei den Orchestern nicht gedacht werde. Er sieht die juristische Kritik Degenharts und Kreiles gelassen. Dennoch: Der Schwarze Peter der Klassik-Dämmerung liegt beim BR. Die rasche Digitalisierung der Klassikwelle sorgt für Ängste, weil sie von oben herab und zu technisch kommuniziert wurde. Außerdem gibt es in der ARD ein klassik-feindliches Klima.
Da steht dem Sender viel Überzeugungsarbeit bevor. Und leider sind die Geräte zu wenig verbreitet. Sie sind simpel und machen Spaß – ich hab’s ausprobiert. Davon ein andermal.