"Ich bin Anwalt meiner Figuren"

Uwe Kockisch ermittelt als Commissario Brunetti in „Donna Leon – Auf Treu und Glauben“. Im 19. Fall der Serie geht es wieder einmal um die Korruption innerhalb der Justiz
Amina Linke |
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Brunetti (Uwe Kockisch, links) hat noch Fragen an den Verdächtigen Maurizio Fulgoni (Stipe Erceg) und dessen Frau Sofia (Jeanette Hain).
ARD Degeto/BR/Nicolas Maack Brunetti (Uwe Kockisch, links) hat noch Fragen an den Verdächtigen Maurizio Fulgoni (Stipe Erceg) und dessen Frau Sofia (Jeanette Hain).

Uwe Kockisch ermittelt als Commissario Brunetti in „Donna Leon – Auf Treu und Glauben“. Im 19. Fall der Serie geht es wieder einmal um die Korruption innerhalb der Justiz.

MÜNCHEN Ruhig spricht er und strahlt dabei eine Gelassenheit aus, die ansteckt. Uwe Kockisch ist jemand, mit dem man gern mal bei einer Flasche Rotwein über Gott und die Welt plaudern möchte – am besten auf der wunderschönen Dachterrasse in Venedig. Dort lässt er als Commissario Brunetti auch in der Donna Leon-Folge „Auf Treu und Glauben“ seinen Arbeitstag ausklingen.  

AZ: Herr Kockisch, Sie spielen schon seit 2003 im Fernsehen den Commissario Brunetti – haben aber selber eine kriminelle Vergangenheit!

UWE KOCKISCH: Neee!

Doch: Ihre Schieberkarriere vor dem Mauerbau…

Oh ja, stimmt! Das war eine Spiegelreflex-Kamera aus der DDR, die war sehr begehrt im Westen. Die habe ich nach Westberlin „gebracht“ und verkauft – eins zu eins. Das Geld habe ich dann in der Wechselstube umgetauscht und hatte somit das Drei-, Vierfache von dem Kaufpreis. Kurz danach wurde die Mauer dann aber hochgezogen und meine kleine Geschäftsidee fand ein jähes Ende.

Eine Typfrage: heiß, kalt oder lauwarm?

Natürlich heiß-kalt, weil lauwarm ist ja langweilig. Extreme Gefühle, entgegengesetzte Pole wie Glück und Verzweiflung – diese Maxime hat sich zu meiner Zeit am Maxim Gorki-Theater in Berlin entwickelt. In der Zeit durfte ich unter Regie-Meistern wie Benno Besson oder Thomas Langhoff arbeiten. Eine interessante Erfahrung.

Sind Bühnen-Emotionen ein Stück weit auch Privat-Emotionen?

Als Mensch reagiere ich spontan, als Figur immer in einer Dramaturgie. Ich bin nie der, den ich gerade verkörpere. Ich weiß, einige Schauspieler sehen das anders, sagen, ich bin jedes Mal ein anderer. Denen rate ich dringendst eine Therapie. Ich bin eher Anwalt meiner Figuren.

Müssen Sie Ihre Rollen so verteidigen?

Nein, aber was meinen Sie, wie sich der Umgang mit einem verändert, wenn bestimmte Leute auf die Frage „Und was machen Sie so?“ hören, ich sei Anwalt? Ich vertrete meine Figuren, so dass sie zu ihrem Recht kommen – auf dem Bildschirm eine Daseinsberechtigung haben.

Braucht denn der gute Brunetti noch eine Daseinsberechtigung?

Wohl nicht mehr. Allerdings hat Brunetti auch nicht nur gute Eigenschaften. Er ist zum Beispiel sehr tolerant, würde aber in manchen Situationen seinem Gegenüber bestimmt gern einfach mal eine runterhauen. Es gibt eben nicht nur „den Guten“ oder „den Bösen“. In jedem steckt immer noch etwas anderes.

Was sagt Ihnen der Satz: „Kommen Sie nie wieder hier her!“

Ha! Doris Thalmer! Damals war ich in Berlin zum Vorspielen an der Schauspielschule Ernst Busch. Als ich fertig war, sagte die kettenrauchende Thalmer vom Berliner Ensemble ganz trocken diesen Satz zu mir. Aber Sie kamen wieder – und überzeugten. Aber nur, weil ein Student aus dem dritten Jahr mir hinterher kam und sagte: „Mensch, du warst super – die wollten nur was anderes sehen!“ Das war Lutz Wesolek. Nach drei Wochen besuchte er mich dann in Cottbus, nur um mir zu sagen, dass er mich nochmal zum Vorspielen angemeldet hatte. Dann fuhr er wieder nach Berlin. Eine Woche vor der Prüfung begann er, mit mir zu arbeiten – unter der Prämisse, dass ich das für mich behielt. Und in der Tat, als Doris Thalmer mich fragte, mit wem ich gearbeitet hätte, sagte ich: „Mit niemandem!“ Sie fragte mich an die 20 Mal, schickte dann alle raus und holte den Direktor, der sich mein Spiel nochmal anguckte – und dann war ich angenommen.

Ein fast komödiantischer Anfang Ihrer Karriere! Humoristische Elemente sind auch Leitfaden in den Brunetti-Folgen – die Auseinandersetzungen mit Brunettis Vorgesetztem Vice-Questore Patta zum Beispiel. Sind sie der Grund für die große Fangemeinde?

Ich denke schon. Humor ist ja ein Beweis von Intelligenz, sonst wäre es Klamauk. Und Donna Leon schreibt mit großer Intelligenz. Der gegen sich selbst kämpfende Vice-Questore, der ja im wahren Leben als Vorgesetzter wirklich ein Arschloch wäre. Oder Brunettis Sohn Raffi, der seinen Vater gern in den Wahnsinn treibt – mal ist er Kommunist, mal Kapitalist, da kann man als Vater schon verzweifeln. Das sind in der Tat Elemente, mit denen man sich identifizieren und darüber schmunzeln kann.

Sie haben selber sogar zwei Söhne – wie oft waren Sie verzweifelt?

Oft. Nein, jetzt wo ich Großvater bin, ist man entspannter und blickt sehr gern auf die Zeit als Vater zurück. Aber ich bin auch froh, sie hinter mir gelassen zu haben. Früher hatte ich ständig Angst, ob alles gut geht. Heute kann ich mich zurücklehnen und die Erziehungs-Szenerie gelassen von außen genießen.

Sie haben gesagt: „Wer glaubt, die Mafia fängt an den Alpen an, ist bescheuert!“

Jawohl, weil sie in Deutschland bereits an deinem Nebentisch sitzt. Der Spruch kommt von mir und bezieht sich natürlich auf die Brunetti-Filme, die ja gern politische Themen wie zum Beispiel Korruption, Betrug oder Machtkämpfe aufgreifen. Und die sind bei weitem nicht nur in Italien präsent.

Zum Schluss die wahrscheinlich meist gestellte Frage: Wo liegt Brunettis berühmte Terrasse?

Die ist gegenüber der Vaporetto Station Sant’ Angelo am Canal Grande. Der Witz ist: die Terrasse schließt an eine Mini-Wohnung an mit einer so kleinen Küche und einem so kleinen Zimmerchen, dass es eine Herausforderung ist, dort zu drehen. Leider, ich wollte die eigentlich mieten. Aber bei solcher Enge hört die Nächstenliebe schnell auf.

Samstag, 20.15 Uhr, ARD

 

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