Harald Krassnitzer über die Kunst des Streitens

Ehestreit, Erbstreit, Nachbarschaftsstreit -  kein Problem  für "Paul Kemp". Doch Konflikte im eigenen Leben übersieht der gewitzte Mediator. Wie Darsteller Harald Krassnitzer streitet, verrät er im Interview.
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Harald Krassnitzer lässt es am liebsten gar nicht erst zum Streit kommen
ARD/ORF/Petro Domenigg Harald Krassnitzer lässt es am liebsten gar nicht erst zum Streit kommen

Ehestreit, Erbstreit, Nachbarschaftsstreit - "Alles kein Problem" für "Paul Kemp". Doch Konflikte im eigenen Leben übersieht der gewitzte Mediator gerne mal. Wie sein Darsteller Harald Krassnitzer streitet, verrät er im Interview.

München - "Paul Kemp" kann alle Probleme lösen - bis auf die eigenen. Denn das Leben des Mediators aus der gleichnamigen Serie (ab 10. Juni, 20.15 Uhr im Ersten) läuft ganz schön aus dem Ruder. Weitaus ausgeglichener verläuft es im Leben seines Darstellers Harald Krassnitzer (53). Der Österreicher erzählt spot on news, dass er auf Zuhören und positives Denken setzt - auch, wenn es zum Streit kommt.

Seit 15 ermittelt Harald Krassnitzer für den Wiener "Tatort" - hier gibt es seine besten Fälle auf DVD

Die Serie "Paul Kemp - Alles kein Problem" hat einen ungewöhnlichen Protagonisten, denn es geht um einen Mediator. War es das, was Sie an dem Projekt gereizt hat?

Harald Krassnitzer: Ja, kann man so sagen. Der Autor Uli Brée hat zudem einfach eine sehr differenzierte Ensemble-Zeichnung gemacht. Er hat es geschafft, ein Thema, von dem man eigentlich denkt, dass es ein bisschen schwer oder mühsam werden könnte, unglaublich amüsant, bunt und schräg und dennoch sehr berührend zu zeichnen. Das waren für mich die ausschlaggebenden Punkte.

Mediator ist ein sehr moderner Beruf. Brauchen wir ihn mehr als früher?

Krassnitzer: Ich glaube, dass wir es mehr brauchen. Alle stehen heute mehr unter Strom und sind sehr darum bemüht, an ihrem Anspruch ans Leben oder an die Welt festzuhalten. Dadurch entstehen natürlich oft Konflikte, die einfach nur noch auf diesem Behauptungsstatus beruhen, bei denen aber das Recht kaum noch hergestellt werden kann. Da kann man dann jahrelang teuer prozessieren. Mediatoren haben hier oft sehr einfache und geradlinige Lösungen. Insofern glaube ich schon, dass das in zunehmendem Maße notwendig ist.

Streiten wir heute also anders als früher?

Krassnitzer: Es ist ja so, dass man viele Konflikte mit einem ganz einfachen Wort aus der Welt schaffen könnte: mit "Entschuldigung". Und das findet in der Regel nicht statt. Wir erleben ja im Alltag oft genug, dass sich jemand durch eine kleine Unachtsamkeit in seiner Freiheit gestört fühlt und dass das schnell eskalieren kann. Und dieses Prinzip zieht sich vom Nachbarschaftsstreit hin bis zu großen Auseinandersetzungen in der Weltpolitik oder bei Großkonzernen.

Wie gehen Sie mit Konflikten um? Regeln Sie das lieber selbst oder holen Sie sich auch gerne Rat von außen?

Krassnitzer: Ich löse meine Konflikte möglichst selbst. Es ist ja auch Teil meines Berufs, Menschen zu beobachten und zu schauen, warum sie etwas tun und wie sie es tun, und welche Notwendigkeiten oder Bedürfnisse hinter ihren Handlungen stehen. Deswegen gelingt es mir oft, dass es erst gar nicht zu einem Konflikt kommt.

Und wenn er doch mal entstanden ist?

Krassnitzer: Es ist ja auch eine Frage der Definition, was wir schon als Konflikt erachten. Wenn jemand anderer Meinung ist, muss das ja noch lange kein Konflikt sein. Man kann sich auch mal damit auseinandersetzen. Das erweitert den eigenen Horizont, weil man ja nicht davon ausgehen kann, dass man alles besser weiß. Wenn man in diesem Prozess feststellen sollte, dass die Meinung des anderen in manchen Punkten nicht richtig ist, kann man das vernünftig äußern und rational abhandeln. Ich habe es bisher stets geschafft, es in solchen Situationen nicht zu einer irrationalen Handlung kommen zu lassen.

Sie schaffen es also immer, sachlich zu bleiben?

Krassnitzer: In der Regel ja, weil ich erstens glaube, dass ein Schreiduell nichts bringt - außer vielleicht, dass man mal ein bisschen Dampf ablässt, was manchmal auch notwendig sein kann. Wenn es aber zur Regel wird, dass man einfach nur laut und cholerisch ist und damit die Situation bereinigen will, bringt einen das nicht weiter. Da bin ich schon eher ein Vertreter des Zuhörens und des positiven Denkens: Das Glas ist in der Regel halb voll und nicht halb leer.

Paul Kemp kann Menschen sehr gut lesen, und auch zu Ihrem Beruf gehört, wie Sie sagten, eine gute Beobachtungsgabe. Wie schnell gelingt es Ihnen, Menschen zu durchschauen?

Krassnitzer: Ich glaube, dass man nie wirklich davon sprechen kann, einen Menschen zu durchschauen. Das von sich zu behaupten, wäre sehr vermessen. Erkennen wäre für mich eher das richtige Wort, oder wahrnehmen. Und das ist keine große Kunst. Das hat viel mit zuhören und zuschauen zu tun und damit, auf das Umfeld des anderen zu achten. Viele Handlungsweisen ergeben sich ja aus der sozialen oder beruflichen Situation eines Menschen. Das fand ich schon immer sehr spannend, und es macht mir sehr großen Spaß, denn es ist ein Teil meines Berufs. Das hilft mir, Dinge in meinem eigenen Leben anders zu betrachten.

Was bei Paul Kemp ebenfalls auffällt, ist, dass die Menschen sehr schnell Vertrauen zu ihm fassen. Wie schnell können Sie Menschen vertrauen?

Krassnitzer: Das ist sehr unterschiedlich. Wie bei den meisten Menschen entscheiden bei mir die Chemie und die Sympathie, ob ich mich schnell öffne oder eher zurückziehe. Aber wenn jemand mein Vertrauen gewonnen hat, dann hat er das in der Regel für sehr lange.

In einem ihrer letzten "Tatorte" ging es um das Thema Kinderschändung, und in der neuen Serie wird es um unschöne Themen wie Ehekrach oder Mobbing gehen. Nimmt man sowas auch mal mit nach Hause?

Krassnitzer: Ich glaube, dass man alle Themen mit nach Hause nimmt. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Mit selbstmitleidiger Miene über den Schrecken der Welt zu sinnieren bringt einen nicht weiter. Ich lasse nicht die Depression walten und verfalle daraus in Resignation. Ich gehe lieber so damit um, dass ich bei bestimmten Sachen dann noch mehr wissen will, und es als Teil in das nie zu Ende gehende Puzzle meiner Sicht auf eine Welt einfüge, die sowieso nie vollständig sein kann.

Sie schätzen es also an Ihrem Beruf, Einblicke in Dinge zu bekommen, die normalerweise so nicht möglich wären.

Krassnitzer: Das und dann gibt es ja auch Mittel und Wege, sich für bestimmte Themen mehr zu engagieren. Ich sage immer wieder, dass die Gesetzeslage, was Kindesmissbrauch betrifft, nach wie vor sehr dürftig ist. Dort bräuchte es wesentlich strengere Gesetze - zum Beispiel, was den Besitz von Kinderpornografie betrifft. Auch etwa im Bereich der sozialen Gerechtigkeit oder in Europa oder der Globalisierung ist mir klar, dass wir in vielen Dingen einen Paradigmenwechsel brauchen. Dafür setze ich mich mit meinem politischen Engagement ein.

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