Hannes Jaenicke: Darum ist er jetzt großer Fan von Oktopussen

Die meisten kennen ihn wohl vor allem als Delikatesse auf dem Teller oder als Fußball-Orakel Krake Paul, doch auch als wissenschaftliches Forschungsobjekt fasziniert der Oktopus wie kaum ein anderes Lebewesen. Gleichzeitig sind die Meeresbewohner durch Überfischung, Vermüllung und geplante industrielle Massenzuchtanlagen massiv bedroht.
Schauspieler und Umweltaktivist Hannes Jaenicke (65) widmet sich in der neuesten Folge seiner preisgekrönten ZDF-Dokureihe "Im Einsatz für..." nun dem Kraken - einem Tier, das gleichermaßen geheimnisvoll wie verletzlich ist. Auf seiner Reise von Indonesien nach Griechenland begegnet er Forschern, Fischern und Umweltschützern, um zu erfahren, wie es um die Zukunft dieser hochintelligenten Tiere steht und welche Rolle wir Menschen dabei spielen. Die Sendung wird am 16. September ab 22:15 Uhr im ZDF ausgestrahlt und ist auch in der Mediathek verfügbar.
Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erzählt Hannes Jaenicke von seinen persönlichen Begegnungen mit Oktopussen, erklärt, warum gerade sie ein Sinnbild für die Krise unserer Ozeane sind, und verrät, was ihn an diesen achtarmigen Meistern der Anpassung am meisten begeistert.
Warum geht es in der neuen Folge um den Oktopus? Die meisten Menschen kennen ihn ja eher gegrillt, als Krake Paul oder aus Anekdoten...
Hannes Jaenicke: Genau deshalb haben wir diesen Film gemacht. Der Oktopus steht wie kaum ein anderes Tier für das, was wir Menschen mit den Ozeanen anstellen: Vermüllung, Überfischung und Erwärmung der Meere. Gleichzeitig ist er für die Wissenschaft unfassbar spannend - insbesondere für die Intelligenz- und KI-Forschung. Man hat festgestellt, dass Oktopusse über eine Form von Intelligenz verfügen, die sich völlig anders entwickelt hat als die menschliche. Man spricht heute von drei Intelligenzen: der menschlichen, der künstlichen - und der des Oktopus. Große Tech-Unternehmen wie Microsoft oder OpenAI finanzieren inzwischen Forschung, um von ihm zu lernen. Dieses Tier hat uns fasziniert, auch weil es über das hinausgeht, was wir sonst in unseren Filmen porträtiert haben.
In "Hannes Jaenicke: Im Einsatz für den Oktopus" treffen Sie unter anderem international führende Forscher - was haben Sie dabei gelernt?
Jaenicke: Wir waren unter anderem bei einem österreichischen Professor aus Neapel, einem weiteren in Graz, der KI-Spezialist ist, und dem Biologen, der das Haus des Meeres in Wien leitet. Die KI-Forschung erforscht Oktopusse, weil ihre Fähigkeiten auch technologisch inspirierend sind. Ein Beispiel: Könnte man einen Roboterarm entwickeln, der wie ein Oktopus-Arm funktioniert, wären beispielsweise Herz-Operationen viel einfacher - man könnte dann durch die Rückwand des Herzens operieren. Ein Oktopus kann seine acht Arme völlig unabhängig voneinander bewegen, gesteuert nicht nur vom zentralen Gehirn, sondern auch von acht "Nebenhirnen" in den Armen. Und dabei lebt das Tier nur rund anderthalb Jahre - in dieser kurzen Zeit lernt es unglaublich schnell. Auch das macht es für Wissenschaftler so interessant.
Gibt es auch etwas Süßes oder Lustiges am Oktopus - etwas, das Kinder faszinieren könnte?
Jaenicke: Absolut. Wir haben in Indonesien den Mimik-Oktopus gefilmt. Der kann seine Hautfarbe und -struktur blitzschnell an den Untergrund anpassen - von schwarz-rot bis blau-grün, durch das gesamte Farbspektrum. Und es gibt Spezies, die schaffen es, sich durch Millimeter-schmale Spalten oder in PET-Flaschen zu zwängen, um sich zu verstecken.
Sie sind Wassersportler und leben am Meer. Haben Sie selbst schon Begegnungen mit Oktopussen gehabt?
Jaenicke: Meine erste Erinnerung stammt aus einem Urlaub als Kind auf Ischia - damals hingen die Tiere auf Leinen am Strand, das Wasser war von der Tinte schwarz gefärbt, nachdem die Fischer die Oktopusse getötet und ausgenommen hatten. Als Kind fand ich sie ehrlich gesagt ziemlich eklig. Spätestens seit der Netflix-Doku "My Octopus Teacher" (2020) wundert es mich allerdings, dass man so ein Tier noch essen kann. Beim Segeln und Tauchen in Griechenland habe ich sie ab und zu gesehen, versteckt im Seegras. Wirklich lieben gelernt habe ich Oktopusse aber erst durch diesen Film. Heute bin ich wahrscheinlich ihr größter Fan.
Sie waren für den Film auch mit der Umweltschutzorganisation "Sea Shepherd" auf dem Meer unterwegs. Wie war das?
Jaenicke: Das war mein absolutes Highlight. Ich kenne und unterstütze die Organisation seit 20 Jahren, und durfte nun erstmals mit an Bord. Während der Schonzeit von Juli bis September ziehen die Crews im Mittelmeer illegale Oktopusfallen aus dem Wasser - unser Tagesrekord lag bei 1.683 Fallen. Geschätzt liegen dort 500.000 Stück auf dem Meeresgrund. Die wenigen Oktopusse, die noch lebend darin sitzen, werden befreit, die Fallen zerstört. Auf diesem Schiff waren Leute aus zwölf Ländern - unglaublich engagierte Menschen, die Naturschutz nicht predigen, sondern leben. Leider gibt es neuerdings Pläne, Oktopusse wie Lachs in Massentierhaltung zu züchten - vor allem in Spanien. Für diese hochintelligenten Tiere, die ihr ganzes Leben als Einzelgänger verbringen, wäre das eine Katastrophe.
Die Reihe "Im Einsatz für..." gibt es seit 2008, in der inzwischen 16. Folge geht es um den Oktopus. Haben Sie schon Ideen für einen 20. Film, und damit das nächste Jubiläum?
Jaenicke: Themen gibt es genug. Kaum einer weiß zum Beispiel, dass Esel vom Aussterben bedroht sind. Auch ein Rückblick auf frühere Filme wäre interessant - zum Beispiel 20 Jahre nach unserem Orang-Utan-Film, der den Auftakt der Reihe markierte. Leider hat sich deren Lebensraum in Indonesien seitdem dramatisch verschlechtert...
Welcher Ihrer bisherigen Tierfilme hat etwas Positives verändert?
Jaenicke: Ich glaube, dass unsere Doku über Lachszucht (2020) dazu beigetragen hat, Aquafarming kritischer zu sehen. Und seit dem Vogel-Film (2019) sprechen mich viele Menschen an, die inzwischen auch im Sommer Vögel füttern. Natürlich gibt es auch Themen, bei denen sich nichts verbessert hat - etwa Eisbären und Polkappen-Schmelze (2009). Aber wenn wir auch nur ein kleines Umdenken anstoßen, lohnt sich der Aufwand.