Gustavo Dudamel dirigiert Johann Strauß & Co.
Mit seinen 35 Jahren ist Gustavo Dudamel der jüngste Dirigent, der bislang das Wiener Neujahrskonzert leiten durfte, der Venezolaner wird mit Südfrüchten im Blumenschmuck empfangen, dazu feiern die Wiener Philharmoniker ihr 175jähriges Bestehen und zu allem Überfluß wird auch noch der „Donauwalzer“ 150 Jahre alt. Was für ein Glück, dass der venezolanische Debütant nicht auch noch der erste Südamerikaner in der Geschichte dieses globalen Musikereignisses ist (da gab es vor ihm noch Barenboim und, wenn man so will, Carlos Kleiber), sonst wäre er wohl vollends in Ehrfurcht erstarrt.
Denn die Last dieser Aufgabe ist Dudamel durchweg anzumerken. 50 Millionen Zuschauer in 100 Ländern – verständlich, wenn da selbst ein so Erfolgsverwöhnter eher schüchtern lächelt. Nun war es ja für Debütanten immer schon ratsam, die Wiener Philharmoniker nicht oberschlau über ihr eigenes Repertoire belehren zu wollen; diese Walzer, Polkas und Quadrillen der Strauß-Dynastie kann ihnen niemand streitig machen. Doch ein bisschen mehr Selbstvertrauen hätte man sich von Dudamel, der etwa mit den Münchner Orchestern frech, bisweilen unverschämt musizierte, schon erwartet.
Ein bisschen zu vorsichtig
Stattdessen verschenkt er durch sein vorsichtiges Agieren viele Möglichkeiten. Dem Walzer „Mephistos Höllenrufe“ von Johann Strauß Sohn wird jede Theatralik ausgetrieben. Wie dämonisch hätte man die Auftakte inszenieren können, wie harsch die operndramatischen Versatzstücke, wie stolz hätten die Wiener Hörner schmettern können, wären sie nicht gar so vornehm in das Tutti eingebunden. In „Tausend und eine Nacht“, ebenfalls einem Walzer, bringt Dudamel die Verzögerungen bei den melodischen Neueinsätzen eher aus Gründen der Stilsicherheit an denn aus Lust, diese für die Wiener Philharmoniker so typischen magischen Momenten, in denen die Musik wie angenehm beschwipst in der Luft zu schweben scheint, stellen sich nicht ein.
Bis in die Zugaben hinein festigt sich der Eindruck, dass Dudamel es kaum wagt, ein freies Rubato einzusetzen, um bloß keine verwackelten Einsätze oder Übergänge zu produzieren, die es dann etwa im Indianer-Galopp von Johann Strauß Vater mit seinen leicht zerstreuten Streichern aber doch immer wieder gibt; Konzertmeister Rainer Honeck, Bruder des Dirigenten Manfred, kann sie nicht alle auffangen. Bei seinem Debüt wirkte Gustavo Dudamel wie ein Kind, das sich zwischen kostbaren Spielzeugen ängstlich bewegt, um nur ja keines umzustoßen. Um aber diese detailreiche Kunst zum Leben zu erwecken, muss er diese Spielsachen das nächste Mal beherzt anfassen und benutzen.
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