"Grünes Weißwestentum": Michaela Kaniber von der CSU stichelt bei "Hart aber fair" gegen Grünen Politikerin Katharina Schulze

In der heutigen Zeit müsse man nicht "immer weiter nach vorne, noch gigantischer, noch länger, noch mehr": Christian Neureuthers Worte klingen aktuell wie nie zuvor.
Ausgesprochen hatte sie der einstige Weltcup-Sieger und Vater von Felix Neureuther vor über 30 Jahren, anlässlich der olympischen Winterspiele 1992 in Albertville. "Gilt das auch für den Tourismus?", wollte Louis Klamroth vom prominenten Sohn wissen. Im Rahmen der Dokumentation "Felix Neureuther – Spiel mit den Alpen" hatte sich dieser mit Albertville und anderen "großen Sündenfallen" des Skisports beschäftigt und die Frage in den Raum geworfen: Haben Skifahren und Massentourismus in Zeiten der Klimakrise eine Zukunft?
Debatte um Ski-Tourismus – Felix Neureuther betont: "Wir brauchen ihn"
Um Neureuthers Antwort darauf zu erhalten, hatte sich "Hart aber fair"-Moderator Klamroth hoch hinauf auf die Schanze von Garmisch-Partenkirchen begeben. "Wir leben und brauchen ihn", meinte der mit wehmütigem Blick auf seine Stadt. In den letzten 30 Jahren wäre das Gegenteil davon passiert, wofür sein Vater eingestanden wäre. Jetzt wäre man "im Tourismus dort angekommen, wo wir aufpassen müssen", gab er zu, "ich möchte mir als Elternteil nicht vorwerfen lassen, nicht mehr dafür getan zu haben".

Dass man aufpassen müsse, darüber waren sich die Gäste im ARD-Talk – Extrembergsteiger Reinhold Messner, die Politikerinnen Katharina Schulze (Grüne), Michaela Kaniber (CSU), der Geschäftsführer der Skiclub Oberstdorf Veranstaltungs GmbH, Florian Stern, die Expertin für nachhaltigen Tourismus Martina von Münchhausen und Klimaaktivistin Anja Windl von der Gruppe "Letzte Generation" in Österreich – einig.
Klimaaktivistin bei "Hart aber fair": Ski-Verzicht "auf dem Level Bambuszahnbürste"
Schon "als kleiner Stups" sei sie auf Skiern gestanden, erzählte Letztere. Dass das "heute leider Gottes nicht mehr so ist", machte Windl traurig. Gleichzeitig schürten die Verdrängung und die Versuche, eine "schöne heile Welt aufzubauen" Wut auf die Verantwortlichen, die "Öl-, Gas- und Kohlelobby", schilderte sie eine "Zerrissenheit", die Klamroth bei Skifahrenden auf der Piste und im Studio bemerkt hatte. Die Studentin habe für sich entschieden, nicht mehr Ski zu fahren – das sei aber "auf dem Level Bambuszahnbürste und Podusche", sorgte sie für Schmunzeln. Die "strukturelle Frage" von Klamroth, ob man Schneekanonen verbieten sollte, wollte sie "an dieser Stelle der Politik überlassen".
"Verbote bringen uns nicht weiter", sprach sich Michaela Kaniber dagegen aus. Die Leute würden ihre Gewohnheiten nicht ändern. "Mir ist lieber, die Menschen fahren in Bayern Ski als [....] in Österreich oder im schlimmsten Fall in Kanada", argumentierte sie, dass die Beschneiungsquoten in den Nachbarländern weit höher liegen als hierzulande. "Ich wehre mich gegen das typische deutsche, nur noch grüne Weißwestentum", wolle sie nicht "im vorauseilenden Gehorsam alles abschaffen". Vielmehr könnte man mit Seilbahnen, Digitalisierung und KI Besucherströme lenken, um Überforderungen der Regionen zu verhindern.
Grünen-Politikerin Katha Schulze plädiert für ganzheitlichen Tourismus
"Was auf keinen Fall hilft, sind so Pauschalplätze: hier ist Verbotskultur, und da ist das gute freie Leben", ließ das Katharina Schulze nicht so stehen. Es gelte zu handeln, statt sich Vorwürfe zu machen, sonst "haben wir ein großes Problem mit unserer Freiheit insgesamt". Ganz ohne Vorwurf an ihre CSU-Kollegin kam die Grünen-Politikerin aber nicht aus: Es ginge darum, Orte zu ganzheitlichem Tourismus zu begleiten und gleichzeitig die Klimakrise zu bekämpfen. Das bedeute, "als Staat zu akzeptieren, mit Steuergeldern subventionieren wir nicht mehr quer in neue Schneekanonen".
Es handele sich keineswegs um eine Förderung der Schneekanonen, stellte Kaniber klar. Vielmehr gebe es eine Förderung von bis zu zehn Prozent für die Modernisierung von Seilbahnen, die Schneekanonen vor Ort hätten. "Selbst zehn Prozent sind Steuergelder, wo ich sage: Lasst sie uns lieber in nachhaltigen Tourismus stecken", so Schulze. Ein kluges Bus- und Bahnangebot etwa könne die Regionen entlasten, Bürgerinnen und Bürger vor Ort könnten profitieren.

Zwar würde "Verzicht im großen Stil uns global weiterbringen", meinte Florian Stern, "aber generell sehe ich nicht, dass wir uns als Gesellschaft in die Richtung bewegen, wo das realistisch ist", sprach er sich gegen das Verbot von Seilbahnen oder Schneekanonen und dafür aus, "mit aktuellen Gegebenheiten möglichst energiesparend, möglichst mit regenerativen Energien umzugehen". Der reine Skitag sei nur für zehn Prozent der Gesamtemissionen der Urlaubsreise verantwortlich - er lenkte den Blick auf die Anreise und Kerosin-Subventionen. "Ein interessanter Vorschlag", meinte Klamroth.
Messner macht "aus dem aggressiven Skitourismus einen Kulturtourismus"
Reinhold Messner erklärte, man habe beim Tourismus in den Alpen "so viele Fehler" gemacht und zur Erderwärmung beigetragen. Der Extrembergsteiger hielt sich mit Kritik nicht zurück, betonte aber gleichzeitig: "Man kann gegensteuern." Würden die Reisende in den Alpen verteilt, würden sie nicht mit dem Auto anreisen, dann könne das Gebiet sogar "mehr Gäste vertragen als bisher". Schon jetzt kämen die Wintertouristen nicht nur zum Skifahren.

Messner berichtete von seinem Messner Mountain Museum, das an fünf Standorten in Südtirol den Menschen die Berge näherbringen soll, denn: "Wenn ich etwas nicht kenne, kann ich es nicht schützen", ist er überzeugt. Zusätzlich sei er dabei, eine stillstehende Bergstation in ein weiteres Museum umzugestalten. "Ich mache aus dem aggressiven Skitourismus einen Kulturtourismus" "Menschen könnten "wandern, in der Sonne sitzen, ein Museum besuchen, statt nur den Hang hinunterzurollen".
Das Aus fürs Skifahren soll das seiner Ansicht nach aber genauso wenig sein wie das Ende des Tourismus an sich. Das Reisen generell befürworte er. "Es wäre gut, wenn einige bekannte Politiker [...] mehr gereist wären, dann wären vielleicht einige Kriege nicht." Eine "steile These", wie Louis Klamroth anerkennen musste.