Frisch aus den Achtzigern

Der schwächelnde „Stern“, einst Flaggschiff im Magazinjournalismus, soll wieder aufregender werden. Die Blattmacher haben sich an einen Relaunch gewagt
Arno Makowsky |
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Mit einer Sonderaktion will der "Stern" seinen Verkauf am Kiosk ankurbeln. Die in Heftstruktur und Layout neu gestaltete Illustrierte ist im Handel einmalig für einen Euro zu haben.
Kay Nietfeld/dpa Mit einer Sonderaktion will der "Stern" seinen Verkauf am Kiosk ankurbeln. Die in Heftstruktur und Layout neu gestaltete Illustrierte ist im Handel einmalig für einen Euro zu haben.

So richtig auf dem Schirm hatte man den „Stern“ ja eigentlich seit Jahren nicht mehr. Oder erinnert sich jemand an eine spektakuläre „Stern“-Enthüllung, einen aufregenden Skandal, eine originelle Aktion, irgend etwas in der Art?

Doch, ja, Rainer Brüderle sei Dank. Die Sexismus-Debatte! Der aufdringliche FDP-Mann und die junge „Stern“-Journalistin: Mit dieser Geschichte hat es das Magazin endlich mal wieder geschafft, ein Gesprächsthema in Deutschland zu setzen. Wenn es nach dem Verlag Gruner & Jahr geht, wird dem „Stern“ das in Zukunft wieder öfter gelingen. Mindestens aber soll das Heft optisch und inhaltlich ein bisschen aufregender werden.

Nur einen Euro kostet die aktuelle aufgefrischte Ausgabe; die Hamburger hoffen wohl darauf, dass von den vielen Neugier- und Schnäppchen-Käufern der ersten Nummer nach dem Relaunch ein paar übrig bleiben. Zu wünschen wäre es nicht nur dem Verlag, sondern der ganzen Gattung, ja dem gesamten Print-Journalismus. Wie fast alle „Holzmedien“ (ein Lieblingsbegriff der forschen Onliner) leidet der „Stern“ unter rasantem Auflagen- und Anzeigenschwund, im Einzelverkauf büßte das Magazin mehr als acht Prozent Auflage innerhalb eines Jahres ein.

Wenn nun der „Stern“, einst stolzes Leitmedium im Qualitätsjournalismus, sich wieder berappelt, dürfte das der Branche neue Hoffnung geben. Doch ob es mit dem vorliegenden Konzept gelingt? Einige Monate lang setzte sich ein Entwicklerteam unter Leitung des neuen Chefredakteurs Dominik Wichmann zusammen. Dabei herausgekommen ist – nicht viel.

Auf den ersten Blick erinnert der „Stern“ an das Heft aus vergangener Zeit. Das liegt am erklärten Faible der Entwickler für die Optiken der achtziger Jahre. Es sieht immerhin ganz hübsch aus. Doch statt konsequent (wenn schon, denn schon) die Idee einer „Illustrierten“ mit opulenten Fotostrecken zu bedienen, kommt das Heft wie ein Magazin vor 30 Jahren daher: Unter der Rubrik „Diese Woche“ stehen kurze Storys, im „Journal“ wird alles Mögliche zusammengefasst, von der Filmkritik bis zum Bericht über das neue Beetle-Cabrio. Und natürlich die neue Rubrik „Im Bett mit“: Da erfährt man, welchem Song das Liebesleben von Jörg Pilawa entspricht. Wenn man das wissen will.

Und die großen Geschichten? Irgend etwas Aufregendes? In der Titelstory erzählen katholische Priester, warum sie sich nicht an den Zölibat halten. Passt zur Papstwahl, hat man aber schon mal gehört. Und in dem großen Gorbatschow-Interview geht es um den Tod der geliebten Raissa und andere tränenreiche Erinnerungen. Hat man auch schon gelesen. Ach ja, die seit Ewigkeiten bestehende Rubrik „Was macht eigentlich?“ gibt es immer noch. So weit ging die Innovationskraft dann doch nicht. Der „Stern“ wird in Zukunft doch wieder Rainer Brüderle brauchen.

 

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