Kritik

Kafka als ARD-Serie: Ein Ideen-Feuerwerk

David Schalkos sechsteilige "Kafka"-Serie in der ARD
Volker Isfort
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Milena Jesenska (Liv Lisa Fries) ist gar nicht einverstanden mit Franz Kafkas (Joel Basman) Lebensplanung.
NDR/Superfilm Milena Jesenska (Liv Lisa Fries) ist gar nicht einverstanden mit Franz Kafkas (Joel Basman) Lebensplanung.

Wenn die Fußball-Nationalmannschaft spielt, senden die öffentlich-rechtlichen Sender als Gegenprogramm normalerweise Wiederholungen. Warum heute ausgerechnet das kulturelle Flaggschiff des Jahres, David Schalkos sechsteilige "Kafka"-Serie, im linearen Fernsehen vom Stapel läuft, obwohl parallel Deutschland gegen Holland spielt, bleibt ein Geheimnis der Programmplanung.

Entweder erkennt man keine Schnittmenge zwischen Kafka- und Fußballfans, oder sucht sich gezielt ein Alibi, falls die Quote allzu bescheiden ausfällt.

Dabei ist die Serie eine intellektuell herausfordernde, aber auch erstaunlich unterhaltsame Annäherung an den Schriftsteller aus Prag, der vor 100 Jahren im Alter von 40 Jahren starb.

Die dreibändige Kafka-Biografie von Reiner Stach hatte dem österreichischen Regisseur David Schalko vor einem Jahrzehnt verdeutlicht, wie eng Kafkas Leben und sein Werk verbunden sind, wie die Geschichte unmittelbar aus persönlichen Erfahrungen entsprangen. Er kaufte die Verfilmungsrechte und holte Daniel Kehlmann als Drehbuchautor mit an Bord. Die Mission war klar: Kafka auch ästhetisch aus allen Labyrinthen und engen Treppenhäusern zu befreien und sich dem Autor aus verschiedenen Perspektiven zu nähern.

Die Serie beginnt mit Max Brod (David Kross), der nicht nur Kafkas engster Freund und größter Förderer war, sondern auch dessen unveröffentlichte Manuskripte doppelt rettete. Einmal, als er gegen den Wunsch des Autors den Nachlass nicht vernichtete und ein zweites Mal, als er die Schriften auf der Flucht aus Prag mitnahm. Aber handelte er im Sinn des Autors? Diese Frage wird Brod Jahrzehnte später von einem bohrenden Journalisten (gespielt von Schalko selbst) gestellt.

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Der Regisseur spielt mit dem Genre des Bio-Pics und nutzt einen zweifelnden Erzähler (Stimme: Michael Maertens), um immer wieder neu anzusetzen, das Leben von Kafka auszubreiten. So bietet die sehr fragmentarische Serie verschiedenste Tonlagen und ein Feuerwerk an Ideen. Daniel Kehlmann tritt kurz als Arthur Schnitzler in Erscheinung, Lars Eidinger spielt einen fast dämonischen Rainer Marie Rilke und Joel Basman überzeugt als Titelheld, der die Welt stets ein wenig anders betrachtet als sein Umfeld.

Die Frauenfiguren stehen im Zentrum der Serie: Mit Felice Bauer (Lia von Blarer) war Kafka zweimal verlobt, ohne sich endgültig für eine Heirat entschließen zu können. Ihre Vorwürfe animieren ihn zu der Erzählung "Der Prozess". Seine Übersetzerin Milena Jesenská (Liv Lisa Fries) wird am Ende der fünften Folge in einem furiosen Monolog seine emotionale Unschlüssigkeit kritisieren, wirkliches Glück findet er erst in den letzten Lebensmonaten an der Seite von Dora Diamant (Tamara Romera Ginés), die den schwer an Tuberkulose Erkrankten auch in den Tod begleitet.

Den dominanten Vater spielt Nicholas Ofczarek mit unterdrückter Wut, der die Stimmung am Familientisch augenblicklich vereisen kann. Als der Vater Kafkas jüdischen Freund Jizchak Löwy als Ungeziefer bezeichnet, hat das literaturgeschichtliche Folgen: In Kafkas "Verwandlung", wird ein Mensch zu einem Ungeziefer.

ARD, 26. und 27. März je drei Folgen ab 20.15 Uhr (alle Folgen in der ARD Mediathek)

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