"Die da oben" halten zusammen: So war der Wiener Tatort "Abgründe"

Der Wiener „Tatort“ „Abgründe“ spinnt den Fall Natascha Kampusch weiter. Doch bei diesem heiklen Thema bleibt er zu oberflächlich. So sah die AZ-Kulturredaktion den Wiener Tatort.
Robert Braunmüller |
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München – Das Haus, in dem ein Pädophiler eine junge Frau festhielt, wird abgerissen. Aber so leicht lässt sich die Schande nicht austilgen. Im Keller liegt die Leiche einer Ermittlerin: Sie wollte nicht an die offizielle Einzeltäter-These glauben.

Der Wiener „Tatort“-Fall „Abgründe“ erinnerte überdeutlich an den Fall Natascha Kampusch. Auch hier beging der Entführer Selbstmord, auch hier will die Kritik an der Einzeltäter-These nicht verstummen und auch hier wird eine Verschwörung Pädophiler mit großem Einfluss auf Politik und Polizei vermutet.

Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seine wie immer bezaubernd herbe Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) ermittelten weitgehend auf eigene Faust, nachdem der Tod ihrer Kollegin zu einem Unfall erklärt wurde. Sie traten den lasterhaften Hofräten gewaltig auf die Füße und lösten den Fall, nachdem sie einem der Verdächtigen die Fenster kaputt geschossen hatten. Natürlich waren sie da längst suspendiert, so wie es eines der Urgesetze des Krimis fordert.

Lesen Sie hier: "Der 'Tatort' war immer schonungslos und wir Österreicher sind noch schonungsloser"

Und das ist doch eine eigenwillige These, dass Pädophilie nur mit Wildwest-Methoden bekämpft werden kann, weil „die da oben“ zusammenhalten. Die Justiz bekam am Ende nichts zu tun: Der eine Verdächtige wurde überfahren (als Fortsetzung der Verschwörung?), der andere von Eisner aufgefordert, die Sache mit der Pistole als Offizier selbst zu regeln.

Unser liebenswürdiges Nachbarland als Balkanrepublik. Wien versank in angemessen dreckigem Schnee. Den Pädophilen war das Laster ins teigige Gesicht geschrieben. Das ORF-Markenzeichen, der unvermeidliche Wiener Schmäh mit der in Eisner verliebten rothaarigen Polizistin, mehreren Wiener Schnitzeln und dem nach „Kottan“-Manier ewig kaputten Pontiac-Auto Fellners passten bei diesem ernsten, aber leider auch nur mäßig spannenden Fall nicht wirklich. Es lief unverbunden nebenher.

Und: Ein guter „Tatort“ schafft es, ein heikles Problem der Gesellschaft als Krimi zu erzählen. „Abgründe“ hat diese Chance verpasst, weil sich die Folge letztendlich vor allem mit polizeiinternen Gockeleien beschäftigte. Die Pädophilie blieb austauschbar, es hätten auch Drogen sein können. Von einer kurzen Szene abgesehen blieben Täter und Opfer nur Statisten. Das ist bei diesem Thema zu wenig.

 

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