Charlotte Links "Einsame Nacht": So mystisch wird der TV-Zweiteiler

Eine brutale Messerserie erschüttert das beschauliche englische Küstenstädtchen Scarborough, und die einzige Spur führt zu einem zehn Jahre alten ungelösten Fall. Am 2. und 3. Oktober zeigt Das Erste um 20:15 Uhr die zweiteilige Verfilmung von Charlotte Links (61) Bestseller "Einsame Nacht" (2022). Schauspielerin Henny Reents (50) schlüpft erneut in die Rolle der Detective Sergeant Kate Linville, die diesmal gegen ein Phantom ermittelt, dessen Identität ebenso rätselhaft bleibt wie seine Motive. Nach dem Zweiteiler "Die Suche" (2021) und "Ohne Schuld" (2024) ist es die dritte Verfilmung im Rahmen der Kate-Linville-Reihe der Frankfurter Bestsellerautorin.
Täter als Erzähler im Cold Case
Der Fall beginnt mit einem bestialischen Überfall auf den Teenager Alvin Malory. Zehn Jahre liegt der Junge bereits im Koma, seine Peiniger wurden nie gefasst. Als eine junge Frau ermordet wird, tauchen im Auto des Opfers dieselben Fingerabdrücke auf wie damals im Alvin-Fall. Eine heiße Spur, die jedoch zu einem weiteren Rätsel führt. Kate Linville würde die neuen Details am liebsten mit ihrem Vorgänger im Fall Alvin, Caleb Hale (Lucas Gregorowicz), bearbeiten. Doch ihre neue Chefin Pamela Graybourne (Helene Grass) untersagt jede Zusammenarbeit mit dem suspendierten Ex-Polizisten.
Während parallel eine alte Frau tot aufgefunden wird und deren Pflegerin Mila Henderson (Milena Tscharntke) spurlos verschwindet, recherchiert Kate undercover in einer Dating-Agentur. Die Inhaberin Dalina (Anke Sabrina Beermann) spielt nicht mit offenen Karten. Als ein weiterer Mord geschieht, wird der Druck auf die Ermittlerinnen immer größer. Sie müssen den Serientäter stoppen, bevor er erneut zuschlägt.
Die Drehbuchautoren Benjamin Benedict und Jörg Lühdorff haben die knapp 600 Seiten starke Bestsellervorlage zum Ausgangspunkt für einen ungewöhnlichen Thriller mit psychologischem Tiefgang genommen. Lühdorff, der auch Regie führte, beweist dabei ein feines Gespür für authentische und mehrschichtige Figurenentwicklung. Brillant wurde die Figur des Täters als Erzähler eingebaut, ohne dessen Identität zu verraten.
Starkes Ensemble mit Neuzugang
Neben Henny Reents überzeugt Lucas Gregorowicz als suspendierter Ermittler Caleb Hale, mit dem Kate eine vertrauensvolle, wenn auch vorsichtige Beziehung verbindet. Als neue Chefin Pamela Graybourne gibt die Charakterdarstellerin Helene Grass ihren Einstand in dem deutsch-britischen Ensemble. Weitere tragende Rollen spielen neben den genannten Jacob Matschenz und Lara Feith.
"Was ich an Kate Linville am meisten schätze, ist ihr Durchhaltevermögen", erklärt Henny Reents im Interview mit spot on news über ihre Rolle. "Sie trägt viele Selbstzweifel, Ängste und Altlasten mit sich, doch sie hat diese besondere Resilienz, immer wieder aufzustehen und sich ihren inneren Dämonen zu stellen." Auch die Vielschichtigkeit ihrer Figur gefällt ihr: "Sie ist keine klassische Ermittlerfigur, keine makellose Heldin, sondern eine echte Frau mittleren Alters, die von ihrer Expertise und ihrer Hartnäckigkeit lebt."
Atmosphäre an Englands Küste
Gedreht wurde etwa zwei Monate lang in Leeds und Umgebung sowie an Originalschauplätzen in Scarborough an Englands Nordseeküste. Die Landschaft gibt dem Zweiteiler seinen atmosphärischen Look mit Film-Noir-Touch. "Die Natur und die Umgebung spielen eine große Rolle im Film: mystisch, geheimnisvoll, düster", beschreibt Reents. "Diese Stimmung spiegelt die innere Zerrissenheit und die Melancholie der Figuren wider und hat sich auch direkt auf mein Spiel übertragen."
Trotz der düsteren Themen herrschte am Set eine warme Atmosphäre. "Das lag vor allem an unserem Regisseur Jörg Lühdorff, der mit seiner Art eine Atmosphäre geschaffen hat, in der man sich sofort aufgehoben fühlt", erzählt die Hauptdarstellerin. "Wir haben am Set viel gelacht, manchmal so sehr, dass ich zwischendurch immer wieder emotional runtertunen musste, um die Figur nicht zu verlieren."
Mehr als ein klassischer Krimi
"Einsame Nacht" ist weit mehr als ein klassischer Kriminalfall. Die Geschichte handelt von Traumata, Vertrauensbrüchen und Obsessionen. Im zweiten Teil, der am 3. Oktober ausgestrahlt wird, stoßen Kate und Pamela auf Verbindungen zwischen den Opfern aus Schulzeiten. Was damals passierte, löst nun einen gnadenlosen Rachefeldzug aus. Die Zeugin Anna Carter (Lara Feith) gerät ins Zentrum der Ermittlungen, während Kate herausfinden will, was die manipulative Dating-Agentin verschweigt. Als Pamela die verschwundene Altenpflegerin ausfindig macht, ahnt Kate noch nicht, welche Gefahr auf ihre unvorsichtige Chefin und bald auch auf sie selbst lauert. In bester Thriller-Manier sorgt Lühdorffs Inszenierung nicht nur beim Showdown für Gänsehaut.
Reents wünscht sich, dass der Film die Zuschauerinnen und Zuschauer berührt: "Vielleicht gibt er den Mut, sich den eigenen Ängsten zu stellen, sich in der Figur wiederzuerkennen und über den eigenen Schatten zu springen. Und dass ein Gefühl bleibt: Wir sind nie ganz allein."
Die Kate-Linville-Reihe wird fortgesetzt. In der bereits in Entwicklung befindlichen Verfilmung des fünften Romans "Dunkles Wasser" gerät eine Familie ins Visier eines Stalkers, alte Geheimnisse treten zutage, und die Ermittlungen führen tief in die Vergangenheit.