"Altes Geld" - so etwas gibt es nicht in Deutschland
Wenn Sunnyi Melles einmal ins Schwärmen gerät, ist sie schwer zu bremsen: Musisch wie Mozart sei er, ein Ensembleführer wie Fassbinder, ausgestattet mit einer Figurenliebe wie William Shakespeare sie besaß – das alles vereine der Autor und Regisseur David Schalko. Der Wiener sitzt in einem Münchner Café neben Melles und lächelt unergründlich. In Österreich ist David Schalko ein Weltstar, seine achtteilige TV-Serie „Braunschlag“ war ein Straßenfeger im ORF. Die Geschichte über ein mittelloses Provinznest, das mit einem falschen Marienwunder Kasse machen will, war so genial boshaft, dass sich öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland mal wieder nicht trauten.
Nun hat David Schalko mit „Altes Geld“ erneut zugeschlagen. Die TV-Serie ist das Sittengemälde einer heillos zerstrittenen Familie, dessen Patriarch Rauchensteiner (Udo Kier) eine neue Leber braucht. Wer ihm diese besorgt, darf mit dem Erbe rechnen, sehr zum Entsetzen seiner Gattin Liane (Sunnyi Melles), die ihn mit dessen Sohn aus erster Ehe und seinem Leibarzt betrügt. Überhaupt bieten die acht Folgen „Altes Geld“ ausgiebig Raum für Inzest, Intrigen, Korruption, Hass, Gier, Neid und ganz wenig Gefühl, denn „Liebe ist etwas für den Mittelstand“, wie es im Film heißt.
AZ: Herr Schalko, „Braunschlag“ erreichte in Österreich Marktanteile von bis zu 36 Prozent im ORF. Warum trauen sich die Öffentlich-rechtlichen in Deutschland nicht?
DAVID SCHALKO: Ich denke nicht, dass das nur Mutlosigkeit ist, sondern einfach eine andere Einschätzung des Publikums. Es gibt die Experimentierfreudigkeit im Fernsehen sowieso nur noch peripher, was sehr schade ist. Gerade die Amerikaner machen uns vor, wie sich das auszahlt und wieder Lust auf Fernsehen macht. Lustigerweise interessieren die sich auch mehr für meine Arbeit als die Deutschen, weil die Amerikaner gewohnt sind, ein bisschen riskantere Dinge zu schätzen. Die haben alles von mir ganz schnell optioniert. Und „Braunschlag“ läuft jetzt im Mai bei RTL Crime.
Hat Sie der Erfolg von „Braunschlag“ in Österreich in eine andere Verhandlungsposition gebracht?
Klar, ich werde jetzt mit der Sänfte durch Wien getragen. Nein, aber es hat das weitere Arbeiten leichter gemacht, und darum geht es ja schließlich. Ich werde auch nicht unbedingt nach Erfolg beurteilt, sondern nach Gelingen. Der Sender ist ja belohnt worden für sein Vertrauen. So ein Arbeitsverhältnis gab es früher viel häufiger, jetzt sind die Sender von Angst und Controlling gesteuert, weil dieses Quotendenken überhand genommen hat. Es geht einfach nicht mehr um den Inhalt, sondern nur noch darum, ob etwas funktionieren kann. ARD und ZDF sollten den Mut haben zu sagen, wir machen eine Serie, die ganz anders ist – und kein Krimi. Sonst sind sie irgendwann ihr Publikum los.
Wieso machen Sie Buch und Regie selbst, vertrauen sie niemandem?
Ich habe auch schon mit dem Josef Hader geschrieben, so ist es nicht. Aber ich komme ja vom Schreiben, das ist für mich der größte Spaß. Und die Regie mache ich deswegen, weil ich meine Sachen lieber selber verhunze.
Sie haben „Altes Geld“ für Gert Voss geschrieben, er starb dann kurz nach Beginn der Dreharbeiten.
Sein Tod kam für uns sehr überraschend. Man muss dann leider pragmatisch sein. Wir hatten sozusagen das Glück im Unglück, dass wir erst sechs Drehtage hatten und nicht die halbe Serie neu drehen mussten. Udo Kier ist der Antipode zu Gert Voss, jemand der nicht versucht, die Rolle zu übernehmen, sondern die Geschichte völlig anders interpretiert. Er gibt der Figur eine Sympathie, die diese eigentlich gar nicht verdient. Das finde ich aber spannend. Kier macht aus dem Rauchensteiner das sympathische Arschloch.
Wie viel Zeit hatten Sie zum nachdenken?
Wir mussten innerhalb einer Woche einen neuen Hauptdarsteller präsentieren. Man kann sich diese Drehunterbrechungen nicht leisten, weder finanziell noch logistisch, da ja die anderen Schauspieler auch andere Verpflichtungen haben. Der Udo war die erste Wahl, hatte Zeit und Lust und hat sofort losgelegt. Ihre Bildästhetik erinnert bisweilen an Ulrich Seidel. Das wäre jetzt nicht meine erste Assoziation. „Altes Geld“ lehnt sich eher an alte Familiensagas an, an Visconti-Filme, an die Dekadenzliteratur des 19. Jahrhunderts. Die Serie schlittert immer so zart zwischen Drama und Komödie und sie sieht viel teuerer aus als sie letztendlich war.
Dafür sind die Dialoge äußerst knapp.
Das ist Stilprinzip. Das war bei „Braunschlag“ auch schon so. Keine Person spricht eigentlich mehr als einen Satz am Stück, damit sich so eine Art von Musikalität entwickelt zwischen den Figuren. In „Altes Geld“ wollte ich Charaktere zeigen, die alle sehr eloquent und intelligent sind und sich stark über Worte bekämpfen, so eine Art Wort-Kung-Fu. Da sind lakonische Sätze, die sie sich an den Kopf werfen, sehr wichtig für die artifizielle Atmosphäre. Alles ist ein wenig entrückt von der Welt und surreal. Das erfordert eine Spielhaltung, die nichts mit einer naturalistischen Fernsehserie zu tun hat, alles ist ein bisschen wie Oper.
Wie schaffen Sie dennoch die epische Wirkung aus diesen Minibausteinen?
Ich denke die Musik ist ganz enorm wichtig. Man weiß nie, ist die ironisch gemeint oder nicht? Aber sie hält die Atmosphäre zusammen und vermittelt ein wenig das Gefühl, dass den Protagonisten nie etwas geschehen kann. Es ist ja ein Soundtrack nur mit Klavier, der so ein bisschen zwischen Chopin und Richard Clayderman tänzelt.
Nach dem Wahnsinnserfolg von Braunschlag war die Erwartungshaltung sicher riesig?
Das war sie auch schon vor „Braunschlag“ nach dem großen Erfolg von „Aufschneider“. Das finde ich auch gar nicht schlecht, man kann ja auch ein bisschen damit spielen. Die Leute haben wohl eher „Braunschlag II“ erwartet, aber „Altes Geld“ ist etwas ganz anderes, es polarisiert auch viel mehr.
Gab es eine Initialzündung zu „Altes Geld“?
Diese Bildsprache trage ich schon lange mit mir herum, sie hat sich als Gegenmodell einfach angeboten. Wir haben bei „Braunschlag“ und „Aufschneider“ mit sehr kurzen Optiken gedreht, ganz nah am Menschen. Dieses Mal halten wir viel mehr Distanz. Die Idee war, aus jeder Einstellung ein kleines Gemälde zu machen. Ich schreibe jetzt die nächste Serie, die wieder ganz anders sein wird. Aber für mich ist dann eine Art Trilogie abgeschlossen. Dann habe ich zehn Jahre lang Serien gemacht und möchte wieder zurück zum Kino.
„Braunschlag“ und „Altes Geld“ sind als DVD-Box bei Hoanzl erschienen, das Drehbuch zu „Altes Geld“ beim Jung und Jung Verlag (382 Seiten, 24 Euro)
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