Zweites Gold für Maria Riesch: "Ein Wahnsinn"
WHISTLER - Eine wie Rosi Mittermaier: Maria Riesch gewinnt den Slalom von Vancouver und holt somit ihr zweites olympisches Gold. Ihre Schwester Susi strauchelt. Gemeinsam weinen sie im Zielraum.
Ein paar Minuten vor der historischen Entscheidung standen sie oben am Start noch einträchtig nebeneinander unterm Regenschirm: Maria und Susanne Riesch. Erstmals stritten zwei Geschwister heftig um olympisches Slalom-Gold. Die eine führte nach dem ersten Durchgang, die andere lag aussichtsreich auf Rang vier. Und unten im Ziel: die Eltern. Was für eine Konstellation!
Ein paar Minuten später standen die Schwestern wieder sehr eng zusammen – unten im Ziel. Die eine als Olympiasiegerin, die andere als kurz vor dem Ziel Ausgeschiedene. Maria Riesch tröstete ihre jüngere Schwester Susanne, die sich an der Schulter der Doppel-Olympiasiegerin hemmungslos ausheulte. Was für ein Bild!
"Der Freitag mit dem Slalom wird ein Scheißtag“, hatte Matthias Berthold vorher noch gesagt. Berthold ist der Cheftrainer der deutschen alpinen Skifrauen. Er hatte die Wettervorhersage gemeint, und er muss seine Meinung grundsätzlich ändern, Wetter hin oder her. Maria Riesch hat nämlich die deutschen Alpinen zum dritten Triumph von Whistler geführt und ist nun wie Katja Seizinger und Rosi Mittermaier Doppel-Olympiasiegerin. Ein Ereignis, das TV-Experte Markus Wasmeier nicht nur Respekt abnötigte („Hut ab!“), sondern ihn auch zu einem hinreißend bayerischen Jauchzer provozierte.
Die Siegerin konnte ihr grenzenloses Glück gar nicht fassen: „Ich bin total überwältigt. Es kann so viel passieren im Slalom, das hat man bei meiner Schwester gesehen“, sagte Maria Riesch, „das kann man nicht in Worte fassen, was das für eine Erleichterung ist. Das ist der Wahnsinn! Jetzt haben wir drei Goldene. Und der Felix (Neureuther, d.Red.) kommt ja Samstag auch noch. Jetzt haben wir es wirklich verdient, zu feiern.“
Ihre Freundin-Konkurrentin Lindsay Vonn war schon im ersten Durchgang und bereits zum dritten Mal in Whistler ausgeschieden, gehandicapt vom Bruch des kleinen Fingers, den sie sich im Riesenslalom zugezogen hatte. Keine Spur von „Vonn-couver“ also. Als ihre Freundin Maria ihr als Doppel-Olympiasiegerin die Show gestohlen hatte, zeigte das US-Girl Größe und drückte die Deutsche lange und herzlich. Riesch sagte nur: „Sei vorsichtig mit deinem Finger!“
Dreimal Alpin-Gold bei Olympia – das gab’s zuletzt und nur 1998 in Nagano. Zweimal Seizinger und Hilde Gerg im Slalom – die aktuelle Crew um Maria Riesch hat nach den goldenen 90ern wieder Olympia-Erfolge am Fließband beschert. Nicht die kühnsten Träumer beim DSV hätten drei Erfolge erwartet.
Aber nach dem Riesch-Coup in der Super-Kombination und Viktoria Rebensburgs Gold-Fahrt im Riesenslalom machte wieder Riesch die Winterspiele aus dem Bilderbuch perfekt. „Wenn man Weltmeisterin und Olympiasiegerin wird, und das souverän, dann muss man außergewöhnlich sein“, lobte Alpin-Direktor Wolfgang Maier seine Vorzeige-Skirennfahrerin in höchsten Tönen.
Wenn die sensationelle Serie von Riesch so weitergeht, dürfte sie auch im Gesamtweltcup noch gute Karten haben. Das Weltcup-Finale findet in Garmisch-Partenkirchen statt – für die deutschen Olympiasieger die nächste Ski-Party.
Thomas Becker