Wie verkraften Kleinkinder den Tod eines Elternteils?

Der Münchner Diplompsychologe Stephan Lermer erklärt. wie man Kindern helfen kann.
AZ: Herr Lermer, die zweieinhalbjährige Anna Barbara und der einjährige Wolfgang haben ihren Vater verloren. Wie kommen Kinder in diesem Alter mit einem solchen Schicksalsschlag zurecht?
STEPHAN LERMER (Münchner Diplompsychologe, Foto): Wir Menschen gelten ja als zu früh geboren. Im Vergleich zum Kalb oder zum Fohlen sind wir am Anfang nicht lebensfähig, sondern auf die Anwesenheit eines Ernährers angewiesen. Insofern kann es zu einer Traumatisierung kommen, wenn einer der beiden Ernährer nicht mehr da ist. Das kann auch zu Existenzangst führen: Wenn auch der zweite fehlt, dann sterbe ich.
Wie begegnet man solchen Gedanken?
Es gibt Hilfe bei Kinder-Psychotherapeuten. Die begeben sich auf die Verständnisebene des Kindes und versuchen, auf kindgerechte Weise den Verlust zu erklären. Das Kind könnte schließlich auch den Verdacht haben, es habe in irgendeiner Weise Schuld am Tod des Elternteils.
Wie soll die Mutter nun mit ihren Kindern umgehen?
Das ist abhängig von der Familienstruktur. Entweder wendet sie sich an einen Profi oder an eine Bezugsperson aus dem Freundes- oder Familienkreis. Meist sind das Frauen. Vor allem die Großmütter sind da gefordert. Auf jeden Fall ein Mensch, bei dem sie weinen und sich ausreden kann, bei dem sie Trost findet. Gut ist, dass die Psychologie mittlerweile enttabuisiert ist, dass jeder wissen kann: Ich habe die Hilfe eines Psychologen in Anspruch genommen. Das hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Der Psychologe ist ein Profi, ein Experte mit der Tool-Box.
Interview: Thomas Becker