Wegen Vettel: Muss Alonso zum Psychiater?
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München - Was ist bloß mit Fernando Alonso los? Zermürbt und frustriert stapfte der stolze Spanier zuletzt durch die Fahrerlager der Rennstrecken dieser Welt. Immer wieder vorgeführt von diesem Rotzlöffel namens Sebastian Vettel, den er trotz aller Anstrengungen einfach nicht besiegen kann. „Ich bin in der besten Form meines Lebens und fahre die besten Rennen meines Lebens", sagte Alonso am Rande des Grand Prix von Indien – bei dem er nicht mal in die Punkte fuhr.
In Italien grassiert bereits die Angst, Alonso könne an Vettels Vorherrschaft zerbrechen und müsse bald zum Psychologen auf die Couch. Auch eine Flucht von Ferrari scheint nicht ausgeschlossen. Was Alonso wohl leiden musste in den vergangenen Jahren! Durchdrungen von eigenem Können, von sich vollkommen überzeugt, auf höchstem Niveau im Kampf um die Weltmeisterschaft vier Mal in Folge gedemütigt von diesem aufmüpfigen Deutschen – dabei sollte der Platz an der Sonne nach eigener Weltanschauung doch für ihn reserviert sein. „Er ist ein fantastischer Fahrer, und ich kann ihm nur gratulieren“, sagte Alonso zerknirscht nach Vettels Triumph. Alonso ist ratlos und offenbar der Verzweiflung nahe. Denn alles, was der 32-Jährige auch versucht – Vettel hat die bessere Antwort parat.
„Er flößt Angst ein“, schrieb die „Gazzetta dello Sport“ zuletzt. Und die „Repubblica“ meinte besorgt: „Wenn er Fernando Alonso weiter so demütigt, braucht der Spanier einen Psychiater.“ Selbst seinen legendären Kampfgeist hat Alonso angesichts der Überlegenheit Vettels offenbar eingebüßt. Es ist nicht allzu lange her, da schickte er seinem Rivalen via Twitter zum Teil geschmacklose Botschaften und Samurai-Weisheiten, die seine Entschlossenheit unterstreichen sollten – Alonso posierte sogar mit einem Gewehr im Anschlag.
Und jetzt das: „Wir müssen im Winter hart arbeiten, um es ihm im nächsten Jahr so schwer wie möglich zu machen“, sagte der Weltmeister der Jahre 2005 und 2006. Eine Ankündigung, die dem Heppenheimer sicher nicht den Schlaf rauben wird. Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali meinte: „Wir waren nicht auf Augenhöhe.“ Aber ein zweiter Platz sei auch nicht so schlecht. Dabei wissen die Italiener besser als alle anderen: Der Zweite ist der erste Verlierer. Das gilt in der Formel 1 noch mehr als in jedem anderen Sport.
Und ob die Einführung der neuen Turbo-Motoren an Vettels Dominanz etwas ändern wird, gilt unter Experten als eher unwahrscheinlich. „Als ich bei Ferrari unterschrieben habe, war es, als ob ein Traum wahr wird“, sagte Alonso in Indien. Doch aus dem Traum droht langsam ein Albtraum zu werden. Die Ehe ist längst zerrüttet. Ferrari-Boss Luca di Montezemolo faltete ihn im Sommer öffentlich zusammen, weil Alonso mal wieder über seinen roten Wagen gelästert hatte.
Seitdem herrscht zwischen Star und Patriarch Funkstille. Und so verpflichtete der nicht weniger stolze Landgraf di Montezemolo für die nächste Saison Kimi Räikkönen von Lotus – eine weitere Demütigung für Alonso, den im Fahrerlager die meisten immer noch für den besten Piloten der Welt halten. Vor Vettel. Doch der Heppenheimer holt halt die Titel.