"Warum tue ich mir das alles an?"
Wolfsburg - Es ist bezeichnend, dass Birgit Prinz nicht im hellblauen Pullover oder Poloshirt kam, das ihre Kolleginnen bei Presseterminen so gerne tragen. Die Vorzeigefrau der deutschen Kickerinnen hat grauen Stoff gewählt, passend zur Gemütslage. Denn die Rekordspielerin und -torschützin ist über ihre Versetzung ins zweite Glied immer noch verletzt und tief gekränkt.
Keinen anderen Schluss ließ der Auftritt bei der Pressekonferenz im Stadion am Elsterweg zu, der früheren Spielstätte des VfL Wolfsburg. „Die Kritik an mir war übertrieben. Das hatte schon etwas von einer Hetzjagd“, meinte die Kapitänin. Der Frust über die Negativschlagzeilen sei zeitweise so groß gewesen, dass sie ans Aufhören dachte: „Aus der ersten Emotion habe ich schon gedacht: Warum tue ich mir das alles an?“
Die 33-Jährige gewährte vor dem Viertelfinale gegen Japan (Samstag 20.45 Uhr) Einblicke in ihre verletzte Seele und gab zu, dass sie, die schon mit 16 Nationalspielerin war, erstmals dem öffentlichen Druck nicht standhalten konnte. „Bei der EM 2009 hatte ich eine ähnliche Situation, aber diesmal hat alles eine andere Dimension. Diesmal waren es grundsätzliche Zweifel. Ich habe es nicht geschafft, mit dem Druck entsprechend umzugehen.“
Die Ex-Weltfußballerin im Fokus der Kritik: Das ist neu für Prinz, die zwar als tiefsinnig und sensibel gilt, an deren selbstkritischer Haltung aber gezweifelt wird, wenn sie ihr „Hand schlagen“ gegen die Bundestrainerin Silvia Neid rechtfertigt: „Ja, ich habe emotional reagiert. Aber das ist menschlich, weil ich enttäuscht war. Ich bin nicht ausfällig geworden. Für mich war das völlig im Rahmen.“
Am Entzug des Stammplatzes wirkte sie hernach im offenen Gespräch mit Silvia Neid immerhin selbst mit. Beide kamen zu dem Schluss, dass es besser ist, die Stürmerin gegen Frankreich außen vor zu lassen. „Ich hatte das Gefühl, ich kann der Mannschaft helfen. Dann hielt auch ich es für sinnvoller, eine spielen zu lassen, die es lockerer und besser hinbekommt“, meinte Prinz. Eine, die es vor allem dynamischer und durchschlagskräftiger als die in jeder Hinsicht blockierte Nummer neun hinbekommt.
Prinz, nach eigener Aussage „ein Teamplayer“, muss sich hinten anstellen, hinter Inka Grings und der fast 14 Jahre jüngeren Alexandra Popp. „Ich habe mich wieder gut sortiert und denke, dass ich langsam meine PS wieder auf die Straße bringe“, so Prinz, „aber ich gehe nicht davon aus, dass ich von Anfang an spiele gegen Japan.“ Kommt sie mit der Reservistenrolle klar? „Ich bin nicht glücklich, wenn ich nicht spiele, dann werde ich bei den Spielen gefrustet sein, aber ich versuche der Mannschaft zu helfen.“
Ihr selbst haben die (meist älteren) Vertrauten im Team wie ihre Zimmerkollegin und Vereinskameradin Ariane Hingst geholfen; zudem hat die Absolventin eines Psychologie-Studiums auch externe mentale Betreuung in Anspruch genommen: „Ich arbeite mit einem Psychologen in Frankfurt zusammen.“ Fest steht, dass sie nach der WM im Nationaltrikot aufhört, mit welcher Art Abschied auch immer. Wie es beim 1. FFC Frankfurt weitergeht, ist ungewiss. Nur eins steht fest: „Ich lasse mir die Freude am Fußball nicht vermiesen.“