"Volleyball reicht, um mich glücklich zu machen"

AZ: Ein freier Abend, Herr dos Santos, das gibt’s nicht oft, oder?
LEONARDO DOS SANTOS: Nein, wirklich nicht. Wir trainieren in Unterhaching Tag für Tag zweimal, vormittags und abends. Ungefähr alle zwei Wochen gibt uns Trainer Mihai Paduretu auch mal frei. Jetzt vor dem wichtigen Pokalfinale am Sonntag (gegen Friedrichshafen, d.Red.) natürlich nicht mehr.
Und wenn Sie frei haben, dann geht’s ab nach München, oder?
Nein, eigentlich bin ich die meiste Zeit zu Hause in meiner Wohnung. Manchmal spiele ich Playstation, aber am liebsten Gitarre.
Welche Musikrichtung?
Ach, ich probiere vieles aus. Ich mag vor allem Lieder, die eine gute Message rüberbringen, die eine wirkliche Aussage haben. Ich habe sogar schon selbst welche komponiert und eines davon auf Youtube gestellt.
Unter welchem Benutzernamen sind Sie zu finden?
Das verrate ich nicht! (lacht)
Wird Ihnen im beschaulichen Unterhaching nicht manchmal langweilig?
Nein. Ich mag große Städte nicht besonders. Die deutschen Städte sind mir nicht bunt genug, zu viel grau und weiß. Ich verstehe die Leute nicht, die am Wochenende in die Stadt zum Shoppen gehen, wenn sie doch in der Natur die Bäume, die Tiere, die vielen Farben sehen könnten.
Sie sind jetzt 31 Jahre alt, haben aber erst im Alter von 20 mit dem Volleyball angefangen – ziemlich spät für einen Profi, der jetzt Champions League spielt.
Ich habe Volleyball schon als Kind gemocht und es gerne im Fernsehen angeschaut. Aber ich habe in meiner Jugend nur zum Spaß gespielt. Ich habe dann erst einmal eine Ausbildung gemacht und als Mechaniker gearbeitet.
Und wie wurden Sie dann professioneller Volleyballer?
Ein Freund hat mich eines Tages angerufen und gefragt, ob ich nicht in seiner Mannschaft mitspielen will. Ich habe einfach mal ja gesagt. Es war allerdings eine harte Zeit damals. Ich habe tagsüber gearbeitet, nachts zusätzlich bei einem Sicherheitsdienst – und zwischendrin habe ich trainiert.
Am Ende wurden Sie Profi in Europa.
Ja, ich habe mich in Brasilien vier Jahre lang nach oben gearbeitet, dann war ich in Portugal, dann wieder in Brasilien. Dann kamen Argentinien, Italien, Österreich – und jetzt Unterhaching.
Wohnen Sie alleine?
Meistens ja, meine Freundin Sandra hat mich einmal besucht, aber sie ist wieder in Portugal. Ich hoffe, dass mich meine elfjährige Tochter bald besucht. Allerdings lebt sie bei Ihrer Mutter in Brasilien.
Ist das nicht schwer, wenn die Familie so auseinandergerissen ist?
Es ist nicht immer leicht, aber ich habe meinen Traum erfüllt. Volleyball alleine reicht, um mich glücklich zu machen.
Sie haben nur für ein Jahr in Unterhaching unterschrieben, die Saison geht nun in die entscheidende Phase. Würden Sie gerne bleiben?
Darüber müssen wir am Ende der Saison sprechen. Jetzt will ich erst einmal zwei Titel gewinnen: die Meisterschaft und den Pokal.
Sie wirken sehr ruhig, doch auf dem Feld gehen Sie immer richtig aus sich heraus und reißen die Mannschaft mit. Woher dieser Gegensatz?
Volleyball ist eine tolle, mitreißende Sportart. Ich kann das gar nicht richtig beschreiben. Da kriegt einer mit Wucht einen Ball ab, dann darf der Ball nicht auf den Boden fallen und man muss ihn mit nur drei Berührungen wieder zurück spielen. Dazu noch ein knappes Spiel... Das ist einfach... Mir fehlen die Worte!
Dabei sprechen sie vier verschiedene Sprachen.
Portugiesisch, Spanisch, Italienisch und Englisch. Wobei mein Englisch besser sein könnte.
Und Deutsch möchten Sie nicht lernen?
Es würde mir nicht viel helfen, wir sprechen in der Kabine hauptsächlich Englisch.
Haben Sie schon Pläne für Ihre Karriere nach dem Sport?
Von mir aus kann es gerne erst einmal so weitergehen. Weil ich so spät mit dem Volleyball angefangen habe, ist mein Körper der eines 25-Jährigen. Aber einen Traum habe ich: Ein Restaurant in Portugal zu eröffnen. Und dann sitze ich immer an der Bar und spiele Gitarre!