Vitali Klitschko im Interview: „Es war hart, sehr hart“

Box-Weltmeister Vitali Klitschko besucht seinen schwer verletzten Gegner Shannon Briggs auf der Intensivstation: „Er sieht aus, als hätte er einen schweren Autounfall gehabt“
AZ: Herr Klitschko, diesen Samstag werden Sie wohl nie vergessen. Bei Ihrer Titelverteidigung am Samstag nahm Ihr Gegner Shannon Briggs auch die schwersten Treffer, aber nach dem Kampf brach er zusammen und liegt seitdem auf der Intensivstation.
VITALI KLITSCHKO: Ja, dieser Tag wird in meinem Leben wohl immer präsent bleiben. Erst die Euphorie über den Sieg gegen einen unglaublichen Gegner und dann die Nachricht, dass Shannon ins Krankenhaus musste. Da war ich noch nicht so sehr beunruhigt. Das kommt bei Boxern schon mal vor, dass sie nach einem Kampf zur Beobachtung in die Klinik gebracht werden. Aber als ich dann immer mehr Details erfuhr, hab’ ich mir doch große Sorgen gemacht.
Shannon Briggs ist in der Kabine kollabiert, er hat mehrere schwere Knochenbrüche im Gesicht erlitten.
Ja, was man mir erzählt hat, ist, dass er am Samstag sein Bewusstsein verloren hat und dann in die Klinik kam, dort wurde er untersucht und nach meinen Informationen ist er am Sonntagmorgen wieder zu Bewusstsein gekommen. Ich habe mich dann auch gleich auf den Weg ins Krankenhaus gemacht. Eigentlich sollte er keinen Besuch empfangen, aber er wollte mich auch sehen, so konnte ich auch an sein Krankenbett.
Wie war dieser Anblick für Sie ganz persönlich?
Es war hart, sehr hart. Shannon sieht aus, als habe er einen schweren Autounfall gehabt. Sein Gesicht ist vollkommen verschwollen, er hat Schmerzen. Aber wir haben miteinander reden können, das tat gut. Ich habe ihm alles erdenklich Gute gewünscht und ich kümmere mich darum, dass er die beste mögliche medizinische Versorgung kriegt. Er ist in wirklich guten Händen. Er tut mir sehr leid.
Wie gehen Sie selber damit um? Es muss psychisch enorm belastend sein, zu wissen, dass man einen anderen Menschen beinahe totgeschlagen hat. . .
Ja, das ist es. Es ist schwer zu verkraften, dass ich das mit meinen Händen angerichtet habe. Wir sind zwar Boxer, wir wissen um die Gefahren unseres Jobs, wir kennen die Risiken, die unser Beruf mit sich bringt. Wir setzen uns selber der Gefahr aus, schwere Verletzungen zu erleiden, aber auch der Gefahr, dass wir sie anderen zufügen. Der Kampf war sportlich fair, aber trotzdem war es schwer, Shannon – den ich privat auch sehr schätze – so zu sehen.
Hat man im Ring eigentlich so was wie Mitleid?
Nun, das ist schwer. Boxen ist unglaublich hart, da ist für so etwas kaumPlatz. Aber es war schon so, dass ich mir in diesem Kampf gewünscht hätte, dass der Fight abgebrochen wird. Ich habe Shannon wirklich mit sehr, sehr vielen sehr harten Schlägen getroffen. Ich dachte mir, das kann keiner aushalten. Ich dachte, die Ecke würde einschreiten, sie hat es nicht getan. Ichwünsche Shannon jetzt, dass er schnell gesund wird. Ich habe für ihn gebetet.
Interview: Matthias Kerber