Vitali: „Ich bin ein viel zu großer Feigling“

Der große Klitschko erklärt der AZ, warum es wirklich nie zum Duell der boxende Brüder kommen wird.
AZ: Herr Klitschko, Gratulation, Sie haben einen würdigen Nachfolger gefunden.
VITALI KLITSCHKO: Wie bitte? Ich bin doch noch aktiv!
Ihr Bruder Wladimir wurde von der Fachzeitschrift „The Ring“, der Bibel des Boxens, nach seinem grandiosen Sieg über WBA-Weltmeister Ruslan Chagaev als unumstrittener König des Schwergewichts ausgerufen. Ein Titel, den „The Ring“ seit 2005, seit Ihrem ersten Rücktritt, nicht mehr vergeben hatte.
Es gibt keinen würdigeren Nachfolger als Wladimir. Ich bin unglaublich stolz auf ihn. Aber ich muss hier etwas gestehen: Ich habe tief in mein Herz geschaut und eine Emotion entdeckt, die ich sonst im Bezug auf meinen Bruder nicht kenne.
Lassen Sie hören!
Neid! Ich bin neidisch, dass er vor 61000 Fans in der Arena auf Schalke boxen durfte, das war gigantisch. Das will ich auch erleben. Ich will auch einen meiner nächsten Fights in einem Fußball-Stadion machen. Der kleine Bruder hat mir da was voraus.
Eine kurze Analyse des Kampfes durch den großen Bruder, bitte.
Das war phänomenal. Ruslan ist ein großartiger Boxer, er war der WBA-Champion. Aber hat dieser Ruslan Chagaev am Samstag wie ein Champion ausgesehen? Nein! Wladimir hat ihn deklassiert, vorgeführt, entzaubert. Das war ein Klassenunterschied, das war eine Vorstellung, die es in ein Box-Lehrbuch schaffen wird. Wie führe ich den besten Boxer in der Welt vor, der nicht Klitschko heißt.
Die Box-Welt wird aber nie erfahren, wer der beste Schwergewichtler dieser Ära ist, denn Sie beide weigern sich, gegeneinander anzutreten. Wladimir sagte aber gerade, dass Sie ihn schlagen würden.
Hat er das gesagt? Man sieht, die Erziehung meiner Eltern hat gefruchtet, denn sie haben viel Wert darauf gelegt, dass man älteren Menschen den angemessenen Respekt erweist (lacht). Die Sache ist ja zwischen uns eh schon längst geklärt. Ich bin der ältere Boxer, das reicht.
Also wird es das Duell Klitschko gegen Klitschko wirklich nie geben?
Wir sind Brüder, wir sind im stetigen Wettkampf. Egal, ob Schach, Laufen, Schwimmen oder was auch immer, wir treten dauernd gegeneinander an. Aber im Boxen wird es dieses Duell nie geben. Unsere Mutter würde uns beide übers Knie legen, wenn wir auch nur ernsthaft daran denken würden. Und wie in der Tierwelt sollte man sich nie mit einer Mutter anlegen, die ihre Jungen beschützt. Notfalls auch vor sich selber. Außerdem: Ich bin fast 38 Jahre alt, da geht man unnötigen Gefahren lieber aus dem Weg. Gegen Wladimir zu boxen, das wäre mir viel zu gefährlich. Da bin ich ein viel zu großer Feigling, das wissen Sie doch, Matthias. Auch, wenn gerade wieder viel über einen Bruderkampf diskutiert wird, wird es ihn nicht geben. Nie, niemals.
Wann steigen Sie wieder in den Ring?
Mitte September. Wir verhandeln mit drei Gegnern, Chris Arreola, David Haye und Nikolai Walujew.
Ob der sich traut gegen Sie, nachdem er vor Chagaev gekniffen hat und dessen angebliche Hepatitis-B-Erkrankung als Grund vorschob?
Ich frage mich nur eines: 2007 haben die beiden gegeneinander gekämpft und da hatte Chagaev schon dieses Hepatitis-Antigen in sich. Hatte Walujew damals keine Angst vor Ansteckung? Und jetzt hat er Angst, obwohl alle Ärzte sagen, dass kein Infektionsrisiko besteht? Wo kommt diese Angst plötzlich her, hat sie Chagaev in seinen Körper geprügelt, als er Walujew 2007 besiegte? Ich bin gespannt, ob er sein Herz wiederentdeckt und bereit ist, mit mir in den Ring zu steigen.
Interview: Matthias Kerber