Vierschanzentournee: Geiger patzt am Schicksalsberg
Majestätisch thront die Schanze auf dem Bergisel. Dieser Berg, 746 Meter hoch, in den Stubaier Alpen gelegen. Zu seinen Füßen die Stadt Innsbruck. Es ist ein Berg mit schicksalhafter Geschichte. So war es schon immer. Der im 15. Jahrhundert entstandenen Sage nach bekämpften sich hier die Riesen Haymon und Thyrsus bis zum Tode des Letzteren.
Bergisel-Schanze: Ein Austragungsort der Vierschanzentournee
Gesichert ist, dass an dieser Stelle 1809 gleich vier Schlachten beim Tiroler Volksaufstand unter Führung von Andreas Hofer - von den einen als Freiheitskämpfer verehrt, von den anderen als Tiroler Taliban verachtet - gegen die napoleonischen Franzosen und ihre Verbündeten, die Bayern, stattfand. Seit 1952 ist die Bergisel-Schanze einer der Austragungsorte der Vierschanzentournee.
Ein Ort, der immer wieder die Vorentscheidung bringt in diesem wichtigsten Skisprung-Bewerb der Welt. Oft - und das sagt man in Innsbruck nicht ganz ohne Stolz - zuungunsten der deutschen Athleten. Richard Freitag kam hier 2018 als Gesamtzweiter her - und erlebte den Berg-isel-Fluch besonders schmerzhaft. Im gefürchteten Auslaufhang stürzte er und verletzte sich derart, dass er sogar aus der Tournee aussteigen musste.
Karl Geiger fällt dem Schicksalberg zum Opfer
2019 das Déjà-vu. Markus Eisenbichler kam als Gesamtzweiter nach Innsbruck und verspielte alle Siegchancen. Dieses Jahr fiel Karl Geiger dem Bergisel, dem Schicksalsberg zum Opfer. Der Gesamtzweite (was sonst) verpatzte wie schon im Vorjahr seinen ersten Sprung komplett. Der 27-Jährige landete nach nur 117 Metern, das reichte nur für Platz 30. Der Traum vom Gesamtsieg, dem Gewinn des goldenen Adlers, war in diesem Moment bereits so gut wie ausgeträumt für den Gesamtdritten der vergangenen Tournee. Da half es auch nichts, dass er sich im zweiten Durchgang auf 128,5 Meter steigern konnte und am Ende immerhin noch auf Platz 16 landete.
Geiger hatte es vergeigt, das war ihm klar. Zu groß der Abstand auf Tagessieger Kamil Stoch aus Polen, der Geiger 27,4 Punkte abnahm und nun in der Gesamtwertung 24,7 Zähler Vorsprung auf den viertplatzierten Deutschen hat. "Das Ding ist so gut wie durch. Es ist sehr frustrierend, dass es dieses Jahr wieder so ist. Da kriegt man nur das Kotzen. Tut mir leid die Wortwahl", sagte Geiger, "es ist saumäßig bitter. Ich bin den ersten Sprung nicht anders angegangen, als den zweiten. Warum es nicht raus ging, dafür habe ich keine Begründung."
Geiger: "Ich könnte gerade in alles reintreten"
Seine Wut, seinen Frust, seine Enttäuschung konnte nicht mal die Atemschutzmaske verbergen. "Ich muss jetzt das System total herunterfahren. Ich könnte gerade in alles reintreten. So kenne ich mich gar nicht. Im Moment bin ich ziemlich angefressen und erwarte gar nichts mehr von der Gesamtwertung. Ist mir aber auch egal", sagte der Skiflug-Weltmeister. Und Bundestrainer Stefan Horngacher ergänzte: "Das kann passieren, Karl ist auch nur ein Mensch."
Ein Mensch, der an diesem schicksalhaften Tag am Bergisel nicht zu trösten war. Nicht von der Tatsache, dass der bis dahin Gesamtführende Halvor Egner Granerud (Norwegen) sein Schicksal teilte und nur Fünfzehnter direkt vor Geiger wurde. Aber auch nicht von seinem guten Freund Markus Eisenbichler, der als bester Deutscher Platz sechs belegte. "Ich werde mit ihm reden und auf keinen Fall aufgeben."
Doch Stoch dürfte der Gesamtsieg kaum noch zu nehmen sein. Seit 1995/96 lagen von 25 nach Innsbruck führenden Springern 23 auch in der Endabrechnung vorne. Die Entscheidung fällt am Mittwoch (16.45 Uhr, ZDF und Eurosport) beim Springen in Bischofshofen. Mal sehen, für wen es dort einen Schicksalsberg gibt. Positiv oder negativ.
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