Vierschanzentournee: Der Erfolgsfaktor hinter Eisenbichler und Geiger
Es gibt so Menschen, bei denen man das Gefühl hat, dass es für sie ein Segen ist, dass sie ihr Gesicht und damit sich selbst, ihre Gedanken, ihre Gefühle in diesen Corona-Zeiten hinter einer Maske verstecken können.
Horngacher: Architekt des Erfolgs von Eisenbichler und Geiger
Deutschlands Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher (51) gehört zu dieser speziellen Spezies Mensch. Die Öffentlichkeitsarbeit ist für ihn eher notwendiges Übel als Herzensangelegenheit. Da, wo andere von einer Kamera fast einem Magneten gleich angezogen werden, macht er gerne einen großen Bogen darum. Der Österreicher, der es in seiner aktiven Karriere zu zwei WM-Titeln und drei Bronze-Medaillen und bei Olympischen Spielen zu zweimal Bronze gebracht hat, ist eher der Schattenmann.
Er wirkt im Hintergrund, das Rampenlicht überlässt er lieber anderen: seinen Athleten. Dabei ist seine Handschrift vor der Vierschanzentournee, die mit dem Springen in Oberstdorf (16.30 Uhr/ ZDF und Eurosport) beginnt, offensichtlich. Er, der 2019 den Posten von Landsmann Werner Schuster übernommen hat, ist der Architekt des Erfolges des siegenden Fliegerzimmers Markus Eisenbichler und Karl Geiger.
Skisprung-Überflieger im harten Coaching
Klar, beide waren schon vorher immer wieder Gäste im elitären Klub der Überflieger, doch Horngacher, dieser akribische Arbeiter, der Detailfeiler holte aus beiden noch die paar Prozentpunkte hervor, von denen die meisten Athleten oft gar nicht wissen, dass diese da sind.
Das hatte Horngacher schon in seiner dreijährigen Schaffenszeit in Polen gemacht, als er Kamil Stoch zum Olympiasieger, zum zweimaligen Tournee-Triumphator, zum Gesamtweltcupsieger formte und Dawid Kubacki zum WM-Titel führte. Jetzt lässt Horngacher, den alle nur "Stef" nennen, bei den Deutschen seine Stef-Magie wirken. "Er ist mutig genug, Dinge zu hinterfragen, und er hat nicht versucht, Schuster zu kopieren", sagt Skisprung-Ikone Martin Schmitt, der als Experte bei Eurosport tätig ist.
Echte Gegner in Oberstdorf: Geiger und Eisenbichler
Sieg-oder-Sarg-Flieger Eisenbichler und Karl Geiger sind in der Ära Horngacher zu konstanten Siegspringern geworden - und zu echten Gegnern für den norwegischen Überflieger Halvor Egner Granerud. Eisenbichler startete nach einer ganz schweren und schwachen Vorsaison durch und holte gleich zwei Weltcup-Siege und die Bronzemedaille bei der Skiflug-WM in Planica (und Silber im Team). Erstmals in seiner Karriere konnte er sich das Gelbe Trikot des Gesamtführenden im Weltcup überstreifen. "Stef spielt eine große Rolle, er hat die Fäden in der Hand und managt das. Ich trainiere nach seinem Plan. Da habe ich nie dran gezweifelt oder nachgefragt", sagte "Eisei", "ich wusste, das ist eine Vision, die kann nur gut sein."
Geiger, eher als Kleinschanzen-Karle bekannt, legte jede Furcht vor großen Weiten ab und segelte auf den goldenen Skiflieger-Thron und nahm noch Silber im Team mit. Bei der Tournee der Vorsaison wurde er Dritter, im Gesamt-Weltcup gar Zweiter. Geiger, der Mann aus Oberstdorf, hofft, gerade beim Auftakt in seiner Heimatstadt von der Stef-Magie zu profitieren. Es wäre der erste deutsche Sieg am Schattenberg seit Severin Freund 2015 und der erste Erfolg eines Einheimischen seit 1959, als der heute 88-jährige Max Bolkart das Auftaktspringen gewann.
Hoffnungen bei der Vierschanzentournee
"Dem Karl ist generell alles zuzutrauen", sagt Horngacher: "Karl wirkt immer so ruhig. Er weiß: Nur, wenn er in der Ruhe ist und nicht aus der Emotion raus handelt, dann kann er seine Leistung bringen."
Und wenn der Körper des 27-Jährigen, der vor zwei Wochen erstmals Vater geworden ist, mitspielt. Denn Geiger hat gerade erst eine Corona-Infektion überstanden. "Meine Eltern und Freunde sind für uns einkaufen gegangen und haben mir eine Hantelstange und Balancebretter vor die Tür gestellt", sagt Geiger. Und so konnte er sich fit halten für den großen Sprung auf der Schattenberg-Schanze. Am Ortsschild von Oberstdorf steht zur Zeit das Schild "Karl Geiger - Skiflug-Weltmeister". Vielleicht ist da ja bald Heimspringen-Sieger und Vierschanzentournee-Gewinner zu lesen.