Vettel steigt aus: Ein Mann der klaren Worte sagt Servus
Ende April 2022, eine Pressekonferenz im Seehaus. Es geht um Bienen, warum sie so wichtig sind, wie man sie retten kann, großes Thema. Auf dem Podium: eher überraschende Diskutanten wie Andreas Gabalier, Franco Foda, Lizzy Görgl - und Sebastian Vettel. Ein bisschen verloren, fast abwesend wirkt er in der Runde, so ganz ohne Helm und feuerfesten Anzug. Es wird viel geredet, allerdings nicht von Vettel. Er scheint vielmehr mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Heute weiß man: An die Formel 1 hat er wohl eher nicht gedacht.
Fast auf den Tag genau vier Monate später nimmt Vettel ganz in Schwarz gekleidet auf einem Hocker Platz, blickt in die Kamera, atmet tief durch - und spricht dann die Entscheidung aus, die in ihm in den vergangenen Monaten gereift ist. "Ich werde meine Zeit in der Formel 1 am Ende des Jahres beenden", sagt er in einem Video, das er auf seiner eigens dafür eingerichteten Instagram-Seite verbreitet: "Meine Leidenschaft für die Formel 1 geht einher mit hohem Zeitaufwand, Zeit, die ich mit meiner Familie verbringen möchte." Pardauz.
Vettel geht als einer der erfolgreichsten Fahrer aller Zeiten
Vettel, dessen Vertrag bei Aston Martin ausläuft, holt in knapp vier Minuten weit aus - und wird dabei nachdenklich. "Ich liebe diesen Sport. Er war im Zentrum meines Lebens, seit ich denken kann. Aber es gibt mein Leben auf der Strecke - und mein Leben neben der Strecke. Mich der Formel 1 so zu widmen, wie ich es in der Vergangenheit getan habe, wie ich es für richtig halte - und dabei auch ein guter Vater und Ehemann zu sein", das passe für ihn "nicht mehr zusammen".
Vier WM-Titel, 53 Siege und 122 Podiumsplatzierungen stehen in seiner Vita. Damit ist er einer der erfolgreichsten Formel-1-Piloten. Nur Michael Schumacher, Lewis Hamilton (beide 7) und Juan Manuel Fangio (5) haben mehr Weltmeisterschaften geholt. Vettels bislang letzter Rennsieg liegt aber schon drei Jahre zurück: 2019 hatte er im Ferrari in Singapur gewonnen.
Über Vettels Zukunft wurde seit Wochen spekuliert
Von 2010 bis 2013 dominierte er mit Red Bull die Formel 1, 2015 der Wechsel zu Ferrari. Dort blieb ihm der Traum vom Titel mit der Scuderia verwehrt. Seit 2021 ist er bei Aston Martin, seit Wochen wurde über seine Zukunft spekuliert, am Sonntag beginnt in Ungarn nun die Abschiedstour: noch zehn Rennen.
"Meine Ziele haben sich verändert: weg von Rennsiegen und um Meisterschaften zu kämpfen, hin zu meinen Kindern", so Vettel, "ich möchte sie aufwachsen sehen, meine Werte weitergeben, ihnen zuhören und mich nicht mehr verabschieden müssen. Ich möchte von ihnen lernen und mich von ihnen inspirieren lassen. Kinder sind unsere Zukunft. Es gibt so vieles zu entdecken und zu lernen. Über das Leben und über mich selbst."
Vettel: "Mein bestes Rennen liegt noch vor mir"
Sein Blick auf den Motorsport und dessen Verantwortung für die Gesellschaft haben sich verändert. "Was heißt Zukunft? Wir leben in einer sich stark verändernden Welt. Wie wir alle die nächsten Jahre gestalten, wird unser zukünftiges Leben bestimmen. Formel-1-Fahrer zu sein, bringt Dinge mit sich, die mir nicht mehr gefallen", sagt der 35-Jährige, "vielleicht werden diese irgendwann gelöst. Aber der Wille, diese Veränderung umzusetzen, muss viel stärker werden und schon heute zum Handeln führen. Reden reicht nicht mehr aus, und wir können es uns nicht leisten zu warten. Es gibt keine Alternative." Starke Worte.
Dieses Rennen habe bereits begonnen. "Mein bestes Rennen?", fragt Vettel: "Liegt noch vor mir. Ich glaube an das Morgen. Zeit verläuft in eine Richtung, und ich möchte mit der Zeit gehen. Wenn man zurückblickt, wird man eh nur langsamer. Ich freue mich auf das Unbekannte und neue Herausforderungen." Da geht ein großer Sportler, der genau weiß, was er noch vorhat im Leben - und das ist sicher nicht die Regel.
Die Töchter Emily und Matilda können sich auf einen Papa freuen, der Humor hat. Als er damals im Seehaus erklären soll, wie das zusammenpasse - sich einerseits gegen das Versiegeln von Flächen engagieren und gleichzeitig auf Asphalt Autorennen zu fahren -, meint Bienenfreund Vettel: "Ach, ich bin ja auch schon öfter neben der Strecke gefahren."
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