Und jetzt, Frau Dr. Theiss?

AZ: Frau Theiss, gegen Olga Stavrova haben Sie nicht nur Ihre erste Niederlage bei den Profis kassiert und damit den WM-Titel verloren. Sie haben auch Sympathien eingebüßt, als Sie nach dem Urteil über Ihre Bezwingerin sagten, dass deren „Schafsgesicht” nur Show gewesen sei. Sind Sie eine schlechte Verliererin?
DR. CHRISTINE THEISS: Die Niederlage, sie schmerzt, keine Frage, aber dieser Vorwurf, den ich nun zu hören kriege, dass ich eine schlechte Verliererin bin, das tut mir viel mehr weh, das schmerzt tief in der Seele. Denn das bin ich nicht, das war ich nie. Meine Sätze nach dem Kampf bedauere ich, da kam einiges verworrenes Zeug daher. Ich habe das sehr unglücklich formuliert, keine Frage. Mit „Schafsgesicht” hatte ich mich darauf beziehen wollen, dass im Vorfeld des Kampfs viele gesagt haben, Olga verkauft sich so harmlos, als wäre sie ein Schaf. Ich habe immer gewarnt, das ist nur Show. Ich wollte eigentlich sagen, dass sie vielleicht harmlos wie ein Schaf aufgetreten ist,...
...sie aber ein Wolf im Schafspelz ist...
Ja, das wollte ich damit ausdrücken. Die Formulierung ist mir aber vollkommen missglückt. So ist das, wenn man nach so einem brutalen Niederschlag nur noch mit drei Gehirnzellen denkt und die restlichen irgendwo im Nirvana schweben. Dafür kann ich mich nur entschuldigen, aber es kam ganz anders rüber, als es gemeint war. Olga hat einen geilen Kampf abgeliefert und zu Recht gewonnen.
Vor dem Fight sagte Ihr Trainer Mladen Steko, dass Sie, mit Ihren Aktivitäten außerhalb des Rings – Präsentation des DFB-Pokals, Dreharbeiten für eine neue Fernsehserie – sicher eine Grenze erreicht hätten. Hatten Sie die vielleicht überschritten?
Ich habe mir darüber viele Gedanken gemacht in den letzten Stunden. Ich denke, es war gar nicht zu viel. Es hätte nicht mehr sein dürfen, aber es war in Ordnung. Ich habe die ersten vier Runden dominiert, dann habe ich mir diesen brutalen Schwinger eingefangen, das war die Wende – den Abdruck habe ich immer noch im Gesicht. Danach war ich nie mehr ich selbst. Der Ringrichter hätte in der Fünften abbrechen können, der Kopf war nicht ganz da – und die Beine auch nicht. Aber ich habe mich nicht schlafen gelegt, sondern alles gegeben. Aber Olga war eben besser, davon geht für mich die Welt nicht unter.
Waren Sie überhaupt voll konzentriert, beim Einmarsch machten Sie ein kleines Tänzchen für den Showact....
Das war eine Anweisung der Regie, die habe ich befolgt, aber so etwas lenkt mich nicht ab, das kriege ich gar nicht mit. Ich war voll konzentriert, ich war voll fokussiert. Ich habe weder den Kampf noch die Gegnerin zu leicht genommen. Aber so eine Tanzaktion ist trotzdem etwas, was ich in Zukunft vielleicht nicht wieder machen werde. Ich habe auch viele Neider, die mich nicht ausstehen können, die haben jetzt halt Grund zu feiern. Da muss ich durch.
Was sagt Ihre Familie, die am Ring saß, zu dem Fight?
Die war tief geschockt! Denen wäre es am liebsten, wenn ich sofort aufhören würde. Natürlich machen die sich große Sorgen, wenn die Tochter im Krankenhaus ist, die Platzwunde genäht wird, das Gehirn auf Schäden gescannt wird. Ich werde aber definitiv weitermachen, ich will im Dezember den Rückkampf gegen Olga, ich will den Titel zurück. Und das wird mir auch gelingen! Ich werde meine Karriere nicht mit einer Niederlage beenden.
Sie hatten Ihren Rücktritt vom Sport für Dezember angekündigt, es heißt, der Sender Sat.1, der Ihre Kämpfe überträgt, will Sie überreden, noch ein Jahr dranzuhängen.
Erst einmal will ich den Rückkampf, den will ich gewinnen. Und dann kann man reden.
Auch über eine Fortführung der Karriere?
Reden kann man bekanntlich über alles.