Interview

Insolvenzrechtler über das Türkgücü-Beben: "Ohne Investor zerreißt es so einen Verein"

Neubeginn oder Ende? In der AZ erklärt Insolvenzrechtler Christoph Sorg das Türkgücü-Beben.
Matthias Eicher
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Mit Türkgücü am Abgrund: Präsident Hasan Kivran.
Mit Türkgücü am Abgrund: Präsident Hasan Kivran. © imago images/MIS

München - AZ-Interview mit Christoph Sorg: Der Fachanwalt für Insolvenzrecht bei Schultze & Braun leitet die Niederlassung in München.

AZ: Herr Sorg, Türkgücüs Geschäftsführer Max Kothny musste den gefürchteten Gang ins Amtsgericht antreten. Können Sie den AZ-Lesern zunächst den Ablauf eines Insolvenzantrags schildern?
CHRISTOPH SORG: Bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit hat man maximal drei Wochen Zeit, um einen Eigeninsolvenzantrag einzureichen. Der Antrag wurde nun vor Gericht geprüft und die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet.

"Wird sich zeigen, ob man Abstieg verhindern kann"

Wie geht es danach weiter?
Mit Max Liebig kümmert sich ein renommierter Insolvenzverwalter zunächst als "Kassenwart" um das Unternehmen. Wichtig: Es handelt sich dabei um die Türkgücü GmbH und Co. KGaA, nicht um den Verein.

Insolvenzrechtler Christoph Sorg
Insolvenzrechtler Christoph Sorg © Schultze & Braun

Wovon hängt es ab, ob Türkgücü den Spielbetrieb aufrechterhalten kann?
Die Lizenzierung ist mit dem DFB zu klären. Es wird sich zeigen, ob man den Abstieg verhindern kann. In den nächsten Monaten wird der Insolvenzverwalter nach Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse entscheiden, wie es weitergehen kann.

Kaiserslautern "war sehr gut beraten"

Wie schaut es mit einem Punktabzug aus?
Ein Insolvenzantrag hat einen Abzug von neun Punkten zur Folge, über den letztlich aber der DFB-Spielausschuss entscheidet. Der 1. FC Kaiserslautern gilt als Musterbeispiel für eine gelungene Sanierung im Rahmen eines Eigeninsolvenzverfahrens. Der Verein war sehr gut beraten.

Plakativ gefragt: Wer kommt besser weg - der Handwerker, der in der Geschäftsstelle etwas repariert hat oder der Star wie Sercan Sararer?
Der Handwerker ist Kleingläubiger, auf diese Gruppe entfällt die sogenannte Insolvenzquote, während der Spieler durch das Insolvenzgeld sehr gut abgesichert ist: Für die drei Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kriegen sie von der Bundesagentur für Arbeit ein gedeckeltes Gehalt in Höhe von maximal 7005€ brutto. Danach fällt dieser Sondereffekt weg und der Insolvenzverwalter hat wieder den vollen Kostenblock zu tragen. Es könnte danach so aussehen wie beim FC Barcelona: Dass die Spieler auf einen Teil ihres Gehalts verzichten, damit es weitergeht.

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"Vertragsauflösungen sind individuell zu verhandeln"

Tim Rieder etwa wollte zu 1860 wechseln. Kommen Spieler aus laufenden Verträgen?
Vertragsauflösungen sind individuell zu verhandeln, grundsätzlich haben die Verträge nach wie vor Gültigkeit.

Hat die Dritte Liga ein strukturelles Problem?
Diese Liga hat das Problem der Diskrepanz zwischen hohen Gehältern und deutschlandweiter Reisen bei geringen Erträgen durch TV-Einnahmen, Merchandising. In der Corona-Krise fallen wichtige Zuschauereinnahmen zudem weitgehend weg. Verliert ein einzelner Investor wie Hasan Kivran oder Hasan Ismaik bei den Löwen das Interesse, zerreißt es so einen Verein. Um es fußballerisch zu formulieren: Es wäre immer besser, wenn ein Klub beidfüßig aufgestellt ist.

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