Zwei Gläser Champagner, zwei Schluck Gift

Als der Löwe Timo Konietzka 1965 beim ersten Bundesliga-Derby gegen Bayern traf, ließ er Sepp Maier und Franz Beckenbauer im Grünwalder Stadion keine Chance. Der berühmteste Tag seines Fußballer-Lebens war da zwei Jahre her: Als er das erste Tor der Bundesliga-Geschichte schoss. Auch den Tag, an dem er aus dem Leben schied, beging er besonders: mit einer Piccata, Risotto, Champagner – und Gift. Zu seiner Frau sagte er: „Danke, dass du das für mich machst.” Sie antwortete: „Gern geschehen kann ich dir nicht sagen.” Und fing an zu weinen.
Zwei Wochen nach dem Freitod ihres Mannes sprach die Witwe Claudia Konietzka mit der Schweizer Zeitung „Blick”, für die Konietzka als freier Mitarbeiter geschrieben hatte. Sie erzählt von der Nacht im Januar, als ihr Mann erbrechen musste: „Ich dachte an nichts Böses. Doch plötzlich bekam er ganz gelbe Augen, und dann ist’s schon zu spät.” Am Tag nach der Fasnacht, wo Konietzka als Bartlivater der höchste Fasnächtler war, kam die Diagnose: Gallenkrebs. Heilungschancen: null. „Er hatte trotz Morphium solche Schmerzen”, erzählt seine Frau, „dabei hatte er sich immer so gesund ernährt, für Gesundheits-Ware gleich viel ausgegeben wie ich für Zigaretten - und das ist viel Geld. Sobald er die Diagnose hatte, fasste er die gesunden Sachen nicht mehr an. Er war sauer.”
Im März habe der 73-Jährige nachts zu ihr gesagt, er wolle sterben: „Wir hatten uns das schon lange versprochen, dass wir es so machen, wenn einer unheilbar krank ist.” Sie rief die Sterbehilfe-Organisation „Exit” an: „Dann war klar, dass der Sterbehelfer um halb drei Uhr hier in Brunnen ankommt.” An jenem Tag hat sie gesagt: „Timo, du weißt, du musst es nicht tun. Aber er wollte es so. In zwei Monaten wäre er sonst eh gestorben.”
Am letzten Wochenende kamen sein Sohn aus München und dessen Frau. Der Sohn fuhr am Sonntag wieder heim, mit den Nerven am Ende. Am letzten Tag sei Konietzka nachts aufgestanden und habe gefragt: „Wann kommen die von Exit jetzt?” Um halb sechs Uhr sind sie aufgestanden, erzählt die Witwe: „Timo wollte noch mal frisches Brot. Er nahm drei Scheiben. Wir tranken Champagner, Dom Pérignon, nur das Beste. Wir haben uns noch ein bisschen hingelegt, später zu Mittag gegessen. Dann nahm er seine Kette ab und legte sie mir um den Hals. Ich werde sie nie mehr ausziehen.”
Pflegerin Irma und zwei Freunde waren da, als der Sterbehelfer kam, erzählt Claudia Konietzka: „Wir haben noch ein Glas Champagner getrunken, dann stand Timo auf und sagte: ,Also!’ Danach legte er sich ins Bett und nahm den Trunk. Es schmeckt sehr bitter, deswegen habe ich ihm noch ein Glas Sirup gebracht. Timo nahm einen Schluck, schaute das Glas an, nahm wieder ein Schlückchen. Dann ist er eingeschlafen wie bei einer Narkose.” Eigentlich sollte es nur 10 bis 30 Minuten bis zum Exitus dauern, „aber bei ihm waren es fast drei Stunden”, sagt die Witwe, „er atmete mal schwerer, mal ein bisschen weniger. Ich sagte zu ihm: ,Timo, du musst nicht mehr atmen. Geh’ zu deiner Mutter.’ Nach diesem Satz machte er seinen letzten Atemzug.”
Die Asche ihres Mannes will sie an einem „speziellen Ort in der Region ausstreuen, wo es ein bisschen bergig ist. Auch meine soll später mal dort verteilt werden – bei Timo”.