Wie lange wollt ihr Außenseiter spielen, Löwen?

Audio von Carbonatix
Ganze 17 der 20 Drittligatrainer haben sie zum Aufstiegsfavoriten gekürt. Mit acht Siegen und nur einer Pleite in neun Spielen fegten sie durch die Vorbereitung der Saison 2025/26, mit sage und schreibe 47:1 Toren. Kevin Volland und Florian Niederlechner heißen die neuen Aushängeschilder, die ihre Fans ins Schwärmen versetzen, doch auch für alle anderen Mannschaftsteile hat Geschäftsführer Christian Werner erfolgshungrige Spieler verpflichtet, viele mit Zweit- oder sogar Erstligaerfahrung.
Allesfahrer Roman Wöll und die Erwartungshaltung
Grund genug, weshalb Allesfahrer Roman Wöll die AZ kürzlich rhetorisch fragte: "Wenn wir heuer nicht aufsteigen, wann denn dann?" Freitagabend, 19 Uhr, Stadion an der Hafenstraße in Essen: Alles wird angerichtet sein für den Drittliga-Eröffnungskracher des TSV 1860 bei Rot-Weiss Essen (im AZ-Liveticker), doch sind die Löwen auch bereit?
Was das Saisonziel angeht, hatte 1860-Boss Werner das "A-Wort" bekanntlich nicht in den Mund nehmen wollen. Auch Cheftrainer Patrick Glöckner zeigte sich im Rahmen der ersten Spieltags-Pressekonferenz am Mittwoch zurückhaltend: "Das Saisonziel hat Christian Werner ja schon ausgegeben: Wir wollen oben mitspielen, das können wir auch als Mannschaft unterstreichen."
Understatement als Strategie?
Dabei stellt sich die Frage: Wie lange können die Löwen ihr Understatement-Spielchen noch erfolgreich betreiben? Klar ist: Die Erwartungshaltung ist 2025/26 enorm, ein anderes, noch defensiveres Ziel hätte der TSV nun wirklich nicht mehr nach außen verkaufen können. Wie eingangs erwähnt, hat fast jeder Drittliga-Coach 1860 als Aufstiegsanwärter auf dem Schirm. Glöckner selbst, der "nicht rumspinnen" wolle, hatte sich übrigens enthalten in der besagten Umfrage – weil es sich nicht geziemt, auf sich selbst zu setzen?
Die Stärke der Konkurrenz
Glöckner spielt Sechzigs Stärke trotz der hochkarätigen Neuzugänge um Volland und Niederlechner jedenfalls mit Verweis auf andere Klubs herunter: "Andere Vereine haben auch große Namen geholt. Da sind mindestens noch fünf, sechs, sieben Mannschaften, die einen guten Kader haben. Für uns ist es schön, diese Namen zu haben, aber die Spieler müssen auch ihre Leistungen bringen."
Interne Ziele und Kaderdichte
Die Gefahr, den eigenen Kickern ein Alibi zu geben, dürfte jedenfalls nicht allzu groß sein: Nach AZ-Informationen hat 1860 intern das Ziel Aufstieg ausgegeben. Dazu kommt, dass schon beim Saisonauftakt in Essen gestandene Akteure wie Max Reinthaler, Philipp Maier, Morris Schröter und Soichiro Kozuki keinen Platz im 20-köpfigen Kader fanden. Glöckner wird sich je mehr als Moderator beweisen müssen, desto weniger die Sechzger es schaffen, zu Saisonbeginn zu überzeugen. Was dem 48-Jährigen zugutekommt: Durch die doppelte gute Besetzung des TSV auf allen Positionen kann er Nicht-Leistung schnell mit einem Plätzchen auf der Bank oder sogar auf der Tribüne quittieren.

Druck und Erwartungen
Es ist ein Szenario, das auch Giesings Höhen keiner möchte: Was ist, wenn der TSV ähnlich bescheiden in die Saison startet, wie im Vorjahr? Damals hatte Ex-Trainer Argirios Giannikis drei Pleiten in Serie hinnehmen müssen, der TSV stand sofort mächtig unter Druck. Auch Glöckner dürfte wissen, dass er schnell liefern muss und nicht zuletzt deshalb darauf pochen: "Wir müssen komplett wach sein, es müssen auf alle Positionen die Automatismen extrem schnell umgesetzt werden und funktionieren."
Saisonverlauf und Favoritenrolle
Je länger die Saison dauert, desto besser sollen die zwar hochklassig, aber dennoch im größeren Stil erneuerten Sechzger ins Rollen kommen. Ex-Löwe und RWE-Vorstandsboss Marc-Nicolai Pfeifer dürfte nur müde lächeln über Glöckners Aussage, dass der TSV in Essen Außenseiter sei. Im Gespräch mit der AZ hatte auch Pfeifer 1860 zum Aufstiegsfavoriten erklärt. RWE auch? "Natürlich nicht..."