TSV 1860 München: Rückzug, Rückkehr – und die Folgen
München - Es war mal wieder eine filmreife Vorstellung beim TSV 1860. Zuerst der - getrennte - Aufmarsch der Protagonisten bei der anberaumten Aufsichtsratssitzung: Nacheinander trudelten Präsident Robert Reisinger und seine Vizes Hans Sitzberger und Heinz Schmidt, Verwaltungsrats-Vorsitzender Dr. Markus Drees (zu diesem Zeitpunkt noch Aufsichtsrat), Karl-Christian Bay und Thomas Heigl (ebenfalls im Gremium) ein. (Den AZ-Newsblog des Abends gibt's hier zum Nachlesen)
Es folgten Yahya Ismaik, Bruder von Investor Hasan und ebenfalls Aufsichtsratsmitglied, flankiert von Ex-Geschäftsführer Anthony Power und Übersetzer Mutaz Sabbagh – die Statthalter des Jordaniers. Die beiden letzten Vertreter, Ismaik selbst und dessen anderer Bruder Abdelrahman, waren ferngeblieben – und wenig später bereits Geschichte im Gremium.
Film ab, Löwen! Mit einem Knall. Mehrheitseigner Ismaik zieht sich aus dem Aufsichtsrat der TSV 1860 München GmbH & KGaA sowie aus dem Beirat der TSV 1860 München Geschäftsführungs-GmbH zurück. Lesen Sie hier den AZ-Kommentar zur aktuellen Situation!
"Nach langer Überlegung habe ich beschlossen, dass es aufgrund der Entfernung und meiner andauernden beruflichen Belastung besser ist, diese wichtigen Ämter beim TSV 1860 mit Personen zu besetzen, die nicht nur die Kultur, sondern auch den Verein sehr gut verstehen und vor Ort ohne große Vorlaufzeit wichtige Entscheidungen treffen können", schrieb der Geldgeber auf Facebook – und zauberte nach diesem Eingeständnis und seinem überraschenden, aber sinnvollen Rückzug erwartbar und von der AZ im Vorfeld berichtet Ex-Präsident Peter Cassalette und Ex-Verwaltungsrat Saki Stimoniaris aus dem Investorenhut. (Hier gibt's die Netz-Reaktionen zum Ismaik-Rückzug)
Die beiden "Vollblutlöwen" und die Vereinsbosse sollen laut Ismaik "endlich das Miteinander suchen". Währenddessen stellte er die Sechzger mit seiner Pressemitteilung vor vollendete Tatsachen. Die AZ erklärt die Folgen.
Das Cassalette-Comeback
Gesicht des Schulterschlusses mit Ismaik. Rücktritt nach dem Zweitliga-Abstieg. Neben sportlichen Gründen auch, weil die Bosse einen Kurs ohne den Geldgeber wollten, so Cassalettes Version. Reisinger bezeichnete die Ansichten des Ex-Oberlöwen "naiv" und "undemokratisch". Ob man zum Wohle von 1860 kooperieren wird?
Cassalette, kürzlich laut seiner Aussage im AZ-Interview "emotional so weit von Sechzig weg wie noch nie", steht nach wie vor für Ismaiks Kurs der Machterweiterung und eine schnelle Rückkehr in höhere Sphären, Reisinger und Co. dagegen für Sparpolitik und nachhaltigen Wiederaufbau. Fort- und Auseinandersetzungen dürften folgen…
Der MAN-Betriebsrat als Ismaik-Sprecher
Rückkehrer Nummer zwei ist MAN-Betriebsratschef Stimoniaris, der Ex-Verwaltungsrat. Wie Cassalette wird ihm von den Fans vorgeworfen, sich in schweren Zeiten verdünnisiert zu haben. Nachdem er nun zurückkehrt und durch seine Ämter in diversen Gremien bei MAN und VW bewiesen hat, dass er Erfahrung im Umgang mit Führungs-Funktionären hat, könnte er zum Wohle von 1860 neben Cassalette die Rolle des Vermittlers einnehmen.
Vorbelastet ist er durch die indirekte Unterstellung aus den Reihen des Verwaltungsrats, als "Maulwurf" für die Weitergabe vertraulicher Dokumente an den Kicker verantwortlich zu sein – Beweise folgten nie. Klar ist: Bei dem Duo kann Ismaik in Aufsichtsrat und auch im deutlich mächtigeren Beirat, wo der Verein aber die Entscheidungshoheit behält (50+1-Regel), auf ihre Loyalität vertrauen.
Drees' Demission:
Der Mann der "Nadelstich-Politik" gegen Ismaik wurde im Aufsichtsrat durch Reisinger ersetzt. Das Ausscheiden von Ismaiks Persona non grata, die nach AZ-Informationen im Verwaltungsrat bleibt, könnte seinen Teil zur Entspannung beitragen. Insgesamt haben sich durch die Neubesetzung eines Gremiums, dem nun Yahya Ismaik vorsitzt und das neben der Budget-Bewilligung für die KGaA nur über eine Kontrollfunktion verfügt, weder Machtverhältnisse noch Ziele verändert.
Nur die Köpfe. Ismaik dürfte weiter auf den Fall von 50+1 oder eine Demontage der jetzigen Führung auf der Mitgliederversammlung hoffen. In deren Film von Giesing scheint er weiter eine Nebenrolle zu spielen.
Lesen Sie hier: "Keine Einigung" - Löwen holen keinen Neuen mehr