TSV 1860: Ein Star aus dem Asylbewerberheim
Am Sonntag trainierte Neuzugang Eke Uzoma (20) erstmals bei den Löwen mit. Der Nigerianer kam mit 16 nach Hessen, er lebte in ständiger Angst vor Abschiebung. Wegen 1860 hat er sich jetzt verlobt
MÜNCHEN Es hat an der Grünwalder Straße schon wärmere Empfänge für Neu-Löwen gegeben. Nur fünf Kiebitze wollten am Sonntagmorgen bei bitterer Kälte die Trainingspremiere von Eke Uzoma beim TSV 1860 sehen. Am Neujahrstag hatten die Löwen den Leihvertrag mit dem SC Freiburg bekannt gegeben, „am Samstag bin ich mit dem Auto nach München gefahren“, berichtet der 20-jährige Nigerianer.
Die Lebensgeschichte von Eke Uzoma ist außergewöhnlich, der Weg aus der afrikanischen Armut ins reiche Deutschland war spannend und nicht ungefährlich. Der dunkelhäutige junge Mann mit dem breiten Grinsen wird schweigsam und ernst, wenn er um seine Geschichte gebeten wird, er will nicht darüber sprechen. „Ich möchte irgendwann ein Buch über meine wundervolle Geschichte schreiben, dann werde ich die ganze Wahrheit erzählen“, sagt er – und bittet um Verständnis.
Einige Details aus Uzomas Leben sind dennoch bekannt, über andere wird nur spekuliert. Von einer Schleuserbande soll der 16-jährige Uzoma 2005 nach Frankfurt gebracht worden sein, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, ohne Ahnung, was ihn im fremden Land erwartet. Die Behörden steckten Uzoma in ein Asylbewerberheim im südbadischen Müllheim, er lebte in ständiger Angst vor einer Abschiebung. Es gab im Heim nichts zu tun, seine einzige Chance hieß: Fußball spielen.
„Ich habe alles dafür getan, dieses Ziel zu erreichen. Ich habe mit meinen Kollegen in Müllheim gespielt, mit kleinen Kindern, egal, ich hab immer Gas gegeben“, verriet Uzoma einst dem Freiburger Magazin „fudder“.
Sein Vormund im Heim vermittelte ihn erst an den Kreisligisten Alemannia Mülheim, wenig später durfte Uzoma beim SC Freiburg in der B-Jugend ran – und überzeugte auf ganzer Linie. Auf das kleine Kraftpaket – Uzoma bringt bei 1,68 Meter Körpergröße 65 Kilo auf die Waage – wurde auch Robin Dutt aufmerksam. Der Trainer ließ Uzoma am 3. September 2007 im Zweitliga-Spitzenspiel gegen Hoffenheim im Profiteam debütieren. Danach bestritt Uzoma nahezu jedes Spiel, immer ehrgeizig und konzentriert: „Auf dem Platz gibt es keine Freunde“, sagt Uzoma.
Doch nach einer Verletzung im Juli 2009 konnte er seinen Stammplatz in Freiburg nicht zurückerobern. In München will Uzoma nun Spielpraxis sammeln, sein persönliches Ziel ist die WM-Teilnahme. „Wenn hier alles gut läuft, warte ich auf den Anruf vom Nationaltrainer“, sagt Uzoma.
Seine Kraft bezieht er aus seinem Glauben. „Gott hat so viel für mich getan, ich bete täglich“, erzählt Uzoma, der sich stets beim Betreten und Verlassen des Spielfeldes bekreuzigt.
Ein Geschenk des Himmels sei auch seine Liebe zu Jennifer (18). „Jennifer hat sehr geweint, weil ich ihr an Weihnachten sagte, dass ich nach München gehe“, erzählt Uzoma. „Sie macht in diesem Jahr Abitur in Freiburg, deshalb werden wir uns nicht so oft sehen können.“ Gegen die Tränen seiner Liebsten half ein Verlobungsring. „Ich habe schon zuvor auf den richtigen Moment gewartet, und dann war er gekommen“, erzählt Uzoma.
Joscha Thieringer