Stoffers: „Fußball funktioniert wie Backgammon“
Die Löwen stecken mal wieder in der Krise. Hier erklärt ihr Chef Manfred Stoffers, wie er sie bewältigen will. Sein Wunsch: Die verzagten Spieler sollen „am Ende halb so selbstbewusst sein wie ich“.
Herr Stoffers, als Sie noch Geschäftsführer eines früheren Löwen-Hauptsponsors waren, wollten Sie während einer sportlichen Talfahrt mal die Sponsorenlogos „mit einer Nagelschere“ von den Trikots der Profis schneiden. Haben Sie sich schon überlegt, wie Sie die Mannschaft jetzt wecken könnten?
MANFRED STOFFERS: Nein. Das ist nicht nötig. Markige Sprüche von mir wären jetzt das völlig falsche Signal. Wenn die einzelnen Spieler Freizeitkicker wären, der Trainer ein Übungsleiter beim Minigolf und der Sportdirektor ein Stammtischpolitiker, dann wäre so etwas nötig. Aber bei uns sind nur Experten am Werk.
Trotzdem läuft irgendetwas falsch beim TSV 1860.
Die sportliche Lage wurde, auch von der AZ, in den letzten Tagen ja ausreichend und zutreffend analysiert. Dem muss ich nichts mehr hinzufügen. Nur so viel: Ich war am Sonntag in Hamburg, und da hat die Mannschaft – und damit auch ihr Trainer – gezeigt, dass sie Fußball spielen kann. Das heißt für mich, dass die Qualität, die wir uns grundsätzlich wünschen, vorhanden ist.
Mit Verlaub – ein Spiel dauert 90 Minuten.
Richtig. Nach 25 Minuten war die Leistung weg. Das Selbstbewusstsein unserer Mannschaft ist nur halb so groß wie die unzweifelhaft vorhandene Kompetenz. Daran müssen wir arbeiten. Wenn die Spieler am Ende nur halb so selbstbewusst wären wie ich, wäre ich zufrieden. St. Pauli hat ja wirklich nicht die besseren Spieler als wir.
Aber die bessere Mannschaft.
Auch das würde ich nicht so sehen. Ich sehe das mit Gelassenheit. Was ich in den letzten Monaten gelernt habe, ist, dass die Früchte des eigenen Tuns beim Fußball nicht immer unmittelbar geerntet werden können.
Wie meinen Sie das?
Fußball funktioniert für mich ähnlich wie Backgammon, da spielen ebenfalls Kompetenz und Zufall eine Rolle. Ehrlich gesagt, ich hatte nicht geahnt, dass der Anteil des Zufalls im Fußball so groß wäre. Andererseits: Wenn es den Zufall nicht gäbe, dann dürfte es auch keine Fußballwetten geben.
1860 hat im Sommer die halbe Mannschaft ausgetauscht und Spieler geholt, die alle nicht für ein Butterbrot spielen. Wenn Sie nun sagen, dass Erfolg nicht planbar ist, dann heißt das für uns...
Moment. Ich sehe unsere derzeitige Situation gelassen. Ich bin sicher, dass jeder bei 1860 alles dafür tut, um den Kompetenzanteil optimal zu gestalten.
Trotzdem: Sie sind ein großes finanzielles Risiko eingegangen, das Sie am Ende zu verantworten haben.
Das ist richtig. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir in diesen unsicheren Zeiten kein Harakiri veranstaltet haben. Wir haben keinen Spieler verpflichtet, der im Notfall nicht zum Einstandspreis wieder an den Markt gehen könnte. Wir haben in jedem Vertrag eine wirtschaftliche Reißleine eingebaut.
Wie sieht die aus?
Alle Spieler, die uns Geld gekostet haben , können, wenn die wirtschaftliche Notwendigkeit aufgrund einer schlechten sportlichen Performance da ist, zumindest zu den Einstandspreisen wieder gehen. Wir müssten niemanden durchschleppen.
Da stünde 1860 ja wieder ohne Mannschaft da. Kontinuität erreicht man so nicht.
Kontinuität ist natürlich das ausgewiesene Ziel. Es ging uns vor der Saison darum, Spieler zu finden mit einem hohen qualitativen Standard, die uns dabei helfen würden, die Ziele zu erreichen. Wenn wir die Ziele erreichen, ist alles gut. Wenn nicht, haben wir uns wenigstens nicht auf Gedeih und Verderb an einzelne Fußballer gebunden.
Wie Sie meinen. Bloß: Obwohl Team und sportliche Leitung fast komplett ausgetauscht wurden, scheint es Ihnen nicht gelungen zu sein, den typischen Löwen-Blues loszuwerden.
Darüber habe ich lange nachgedacht. Es gibt ja in der Soziologie die Theorie von der sich selbsterfüllenden Prophezeiung. Viele, die 1860 lange begleiten, sagen jetzt, das ist das Löwen-Leid. Aber dem werde ich mich vehement entgegen stellen. Ich bin zwar leidensfähig, aber nicht leidensbereit. Wir dürfen uns dieses Projekt nicht selbst zerstören, indem ich mich selbst zum Handlanger dieser sich selbst erfüllenden Prophezeiung mache. Was wir brauchen, ist doppeltes Selbstbewusstsein, kein Wehklagen.
Interview: Filippo Cataldo
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- TSV 1860 München