Interview

Diesen Löwen hebt Ex-1860-Trainer Schmidt besonders hervor: "Muss ich erstmal loben"

Der Ex-Löwen-Coach Alexander Schmidt spricht im AZ-Interview über die Aufstiegschancen des TSV 1860, seinen ehemaligen Schützling Kevin Volland und die große Euphorie auf Giesings Höhen.
von  Kilian Kreitmair
Die neue Nummer eins beim TSV 1860: Thomas Dähne
Die neue Nummer eins beim TSV 1860: Thomas Dähne © IMAGO/Ulrich Wagner

AZ: Herr Schmidt, Sie waren der U17-Trainer von Kevin Volland und auch bei den Profis als Trainer sein großer Förderer. Den Löwen konnten Sie ihm scheinbar nicht austreiben, oder?
ALEXANDER SCHMIDT: Nein, das konnte ich nicht. (lacht) Es ist halt einfach eine Herzensangelegenheit von Kevin. Da kann man nichts machen.

Ist man als ehemaliger Trainer ein bisschen stolz, wenn der Schützling zurück zum Jugendklub wechselt und eine derartige Euphorie-Welle auslöst?
Natürlich. Wir sind über die Jahre immer in Kontakt geblieben und das ist natürlich eine tolle Sache. Ich hätte ihn natürlich auch gern bei mir in Landsberg gesehen, aber das müssen wir noch ein bisschen verschieben. Man weiß ja nicht, wie lange er jetzt bei Sechzig aktiv ist. Aber ich gehe schon davon aus, dass er dort ein paar Jahre spielt.

Ex-1860-Trainer Alexander Schmidt.
Ex-1860-Trainer Alexander Schmidt. © IMAGO/Eibner

Sie waren am Samstag beim 3:1-Sieg gegen Osnabrück im Stadion. Haben Sie eine solche Euphorie beim Löwen schonmal erlebt?
Das ist wirklich pure Euphorie, die in Giesing herrscht. Die Zuschauer sind extrem hungrig, weil sie in den letzten Jahren so oft leiden mussten. Jeder wünscht sich, dass man oben angreift und eine gute Rolle im Kampf um die Aufstiegsplätze spielt. Das war mit den Mannschaften in den letzten Jahren schwierig. Deshalb hat man doppelte Euphorie, auch wenn man den Kader sieht, mit so Identifikationsfiguren wie Kevin Volland und Florian Niederlechner.

Hier sieht Schmidt bei den Löwen noch Steigerungspotenzial

Volland hatte in Essen noch ein bisschen Startschwierigkeiten, nun gegen Osnabrück das erste Tor. Würden Sie sagen, er ist der Gleiche, der Sechzig damals verlassen hat?
Kevin ist ausgeglichen, sympathisch und bodenständig. Und das wird sich nicht ändern. Das zeichnet ihn auch aus. Er ist auch immer noch das gleiche Schlitzohr wie damals. Das hat man bei seinem Tor gesehen. Er macht einfach den Unterschied. Diese Cleverness von Kevin ist natürlich ein Vorteil in der 3. Liga. Allerdings muss man jetzt auch ein bisschen vorsichtig sein. Man sollte Kevin und das Team auf keinen Fall in den Himmel loben. Alles war noch nicht perfekt.

Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?
Sie waren zwar sehr ballsicher, aber mir hat die Tiefe noch gefehlt. Das ist schon noch eine Schwäche. Gegen Osnabrück stand Sechzig etwas tiefer, man ist nicht hoch angelaufen. Und dann braucht es wirklich diese Tiefe in den Umschaltsituationen.

Trotzdem wirkt das Team im Vergleich zu den Vorjahren schon sehr eingespielt.
Das stimmt. Aber Niederlechner und Volland kennen sich zum Beispiel schon. Da geht es relativ schnell. Insgesamt brauchen gute Fußballer keine lange Anlaufzeit. Und sie haben in der Mannschaft wirklich viele erfahrene Spieler, die sich aufeinander anpassen können. Bei den Standards hat man schon gute Abläufe gesehen. Da war Sechzig zum Beispiel brandgefährlich.

Sechzigs neues Sturm-Duo: Florian Niederlechner und Kevin Volland.
Sechzigs neues Sturm-Duo: Florian Niederlechner und Kevin Volland. © IMAGO

So viele Tore traut Schmidt Volland und Niederlechner zu

Apropos brandgefährlich: Wie viele Tore trauen Sie dem Duo Volland-Niederlechner zu?
Wenn sie verletzungsfrei bleiben, wird jeder von beiden schon 15 Buden machen. Aber es wird kein Selbstläufer. Die Gegner werden versuchen, sich immer besser auf die beiden einzustellen und sie womöglich vom Tor weghalten. Und weder Niederlechner noch Volland sind Sprinter-Typen, die ständig die Tiefe anlaufen. Gegen Osnabrück hat man das schon in Phasen gesehen. Wenn sie vom Tor weggehalten wurden, war Sigurd Haugen der Einzige, der in die Tiefe lief. Andererseits haben die beiden in Bundesliga gespielt und da ist es noch viel schwerer und schneller als in der 3. Liga. Also sie werden sich natürlich immer wieder mit ihrer Cleverness von solchen Situationen befreien können. Und Volland und Niederlechner reichen wenige Momente und Lücken, um ein Tor zu machen.

Das A-Wort wird von den Verantwortlichen gar nicht in den Mund genommen. Wäre aber alles andere als der Aufstieg in die 2. Bundesliga mit dem Kader zu wenig?
Da muss ich erstmal den Christian Werner loben. Er konnte nicht die Millionen einfach so rausschleudern. Er hat mit überschaubaren Mitteln einen super Kader zusammengestellt. Und natürlich ist in Giesing keiner zufrieden, wenn man Fünfter oder Sechster wird. Das ist das Los der Verantwortlichen und Spieler. Aber Werner und Glöckner wollen die Mannschaft jetzt nicht unter Druck setzen und groß herumposaunen. Ich weiß, wie das ist. Bei mir war es damals nicht anders. Nur, dass es bei mir um den Aufstieg in die Bundesliga ging. Wenn du sagst, du willst eine gute Rolle spielen, sagt jeder, der hat keine Ziele. Wenn du aber sagst, nur der Aufstieg zählt, heißt es, du hast eine große Fresse. Also wie man es macht, kann es verkehrt sein. Aber der Aufstieg wäre natürlich schön. Sechzig muss wieder hoch. Da sind sich alle einig.

Einer der wenigen Löwen, die in der vergangenen Saison schon in München kickten: Tunay Deniz.
Einer der wenigen Löwen, die in der vergangenen Saison schon in München kickten: Tunay Deniz. © IMAGO

Schmidt über Glöckner: "Einfach ein cooler Typ"

Also Sie hätten auch keine Kampfansage an die Konkurrenz gemacht?
Sie machen es schon gut. Sie labern nicht herum und setzen sich dadurch nicht unter Druck. Klar, man muss ein Ziel haben, aber man braucht es ja nicht jede Woche allen Leuten aufs Brot schmieren, dass man zurück in die 2. Bundesliga will. Es wäre am besten, den Fokus auf jedes einzelne Spiel zu richten. Und wenn man jedes Spiel gewinnt, geht alles andere automatisch.

Wenn wir schon beim Trainer sind: Wie bewerten Sie generell bisher die Arbeit von Patrick Glöckner?
Er ist auf jeden Fall ein guter Trainer mit einer klaren Spielphilosophie. Ich musste das damals selbst gegen Waldhof Mannheim erfahren. Seine Mannschaften sind sehr spielstark. Ich glaube, er kann auch die erfahrenen Spieler gut händeln, weil er einfach ein cooler Typ ist.

Macht bisher einen guten Job beim TSV 1860: Coach Patrick Glöckner.
Macht bisher einen guten Job beim TSV 1860: Coach Patrick Glöckner. © IMAGO

Schmidt: "Natürlich ist es für Schifferl und Reinthaler schwer"

Einer, der sich auch getraut hat, das System auf eine Fünferkette umzustellen.
Ich fand das gut. Als Trainer ist man immer auf die Spieler angewiesen. Und er hat das Spielermaterial dafür. Was ich auch gut finde, er hat da auch mit Sean Dulic einen Youngster reingeworfen. Natürlich ist das für Raphael Schifferl und Max Reinthaler schwer, aber der Junge macht das bisher gut. Und im weiteren Saisonverlauf ist es wichtig, dass man zwei so gute Innenverteidiger in der Hinterhand hat. Gerade mit dieser Größe und Kopfballstärke. Und die beiden Schienenspieler Manuel Pfeifer und Tim Danhof haben es bisher auch gut gemacht. Also das passt im Moment sehr gut. Wobei ich auch glaube, dass Glöckner variabel bleibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass er in einzelnen Spielen auf eine Viererkette umstellt.

Sie sprechen Raphael Schifferl und Max Reinthaler an, die aktuell hinten dran sind. Noch beschwert sich keiner, die Mannschaft tritt als Einheit auf. Hätten Sie das bei dem Konkurrenzkampf erwartet?
Da kommt eben wieder dazu, dass sich Spieler wie Volland und Niederlechner voll mit dem Verein identifizieren. Der Kevin kommt gut aufgelegt ins Training und reißt die Mannschaft mit. Das ist halt auch wichtig, dass man solche positiven Typen im Team hat. Er und Niederlechner halten das Team beziehungsweise die Kabine schon zusammen. Außerdem hast du auch keine Spieler im Kader, die als extreme Querulanten bekannt sind. Klar ist es für Schifferl, Reinthaler und auch Hobsch keine einfache Situation, aber das sind faire Spieler. Und sie werden im weiteren Saisonverlauf noch wichtig werden. Deshalb sehe ich jetzt kein großes Unruhepotenzial.

Also glauben Sie nicht, dass die Stimmung kippt, wenn es mal nicht so läuft?
Die Stimmung wird beim TSV 1860 immer kippen, wenn man fünfmal verliert. Da kannst du machen, was du willst. Das ist einfach der Anspruch von so einem Traditionsverein. Es ist alles abhängig vom sportlichen Erfolg. Da muss man ehrlich sein. Aber ich wünsche Sechzig natürlich den Aufstieg in die 2. Bundesliga.

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