Savio, bitte melde dich!

MÜNCHEN - Der TSV 1860 vermisst Nsereko (21) seit Tagen und wendet sich deshalb mit einem ungewöhnlichen Aufruf an die Öffentlichkeit: „Bitte helfen Sie uns, die Suche nach ihm zu unterstützen.“
Der Auftritt hatte etwas von Rudi Cerne. Es war ein verzweifelter Ausdruck selbst eingestandener Hilflosigkeit, als sich Robert Niemann am Dienstagmittag auf dem Trainingsplätzen an der Grünwalder Straße an die Öffentlichkeit wandte. Der Geschäftsführer des TSV 1860 stellte seinen Aktenkoffer ab, zupfte an der Krawatte und hielt mit ernster Miene eine Ansprache.
„Wir wissen bis heute nicht, wo sich Savio Nsereko aufhält. Wir machen uns große Sorgen, wir tragen Verantwortung für ihn“, sagte Niemann und startete – ganz wie bei „Aktenzeichen XY ungelöst“ – einen Hilferuf: „Bitte helfen Sie uns, die Suche nach ihm zu unterstützen. Denn wir stehen zu ihm. Wir wollen mit ihm reden und ihm helfen." Savio spurlos vermisst!
Der TSV 1860 fahndet nach einem seiner Fußballprofis – und weiß sich nicht anders zu helfen, als die Öffentlichkeit um Mithilfe zu bitten.
Nun denn: Savio Nsereko ist 21 Jahre alt, 1,76 Meter groß und wiegt laut „kicker“-Sportmagazin 73 Kilo. Der Schwarze mit der bulligen Sprinterfigur, in Kampala/Uganda geboren und in München aufgewachsen, wurde zuletzt am Mittwoch, 6. Oktober, auf dem Trainingsgelände an der Grünwalder Straße gesehen. An diesem Tag wurde zweimal trainiert, zuletzt um 15 Uhr. Nsereko soll das Trainingsgelände zwischen 16.30 Uhr und 16.50 Uhr verlassen haben, er stieg in seinen weißen Audi R8.
Seitdem fehlt von Nsereko (fast) jede Spur, wie Niemann und 1860-Sportdirektor Miki Stevic gestern zugaben.
Am Donnerstagvormittag war der Mittelfeldspieler nicht Training erschienen; es hieß, er habe verschlafen. Am Abend erreichte ihn Stevic auf dem Handy, Nsereko erzählte die Geschichte vom in Uganda getöteten Bruder (AZ berichtete). Am Freitag fehlte er unentschuldigt beim Abflug der Sechzger zur dreitägigen Privatspielreise nach Krakau. Am Montag bestätigten Nserekos Mutter und seine Schwester, dass ein Stiefbruder von Savio in Uganda ums Leben gekommen sei, mehr wollten sie nicht preisgeben, auch nicht Savios Aufenthaltsort. Am Dienstag um 10 Uhr war wieder Training – und Nsereko wieder nicht da. Dann der Auftritt des 1860-Führungsduos Niemann/Stevic. Man stehe „in Kontakt zu offiziellen Stellen", sagte Niemann, man habe versucht, mit seiner Mutter zu kommunizieren. „Trotzdem gibt es gar keinen Kontakt zu Savio", sagte Stevic. Er habe zwar immer „eine sehr gute Beziehung zu Savio" gepflegt und „auch immer versucht, ihn positiv zu steuern".
Im Umfeld gibt es Gerüchte, die bei der Fahndung eine Rolle spielen können. Ein Berater (der AZ bekannt) will wissen, dass Nsereko in Florenz sei, wo er bis zum Sommer spielte. Ein andere Berater wähnt ihn in England. In München will ein Barkeeper einer Promi-Diskothek über SMS eine Abend-Verabredung mit Savio organisiert haben, die aber bisher nicht zustande gekommen sei. Und sein Arbeitgeber erklärt ihn für vermisst.
„Wir wollen ihn nicht vorab verurteilen", sagt Niemann. „Es wird keine disziplinarischen Maßnahmen geben, so lange wir keine Fakten kennen. Erst dann werden wir abwägen und alles mit ihm als Menschen aufarbeiten." Stevic sagt: „Wir wussten, dass er Schwachpunkte hat. Aber die Probleme waren so trotzdem nicht zu erwarten. Jeder Mensch reagiert auf ganz eigenen Art und Weise auf bestimmte Situationen." Und so bleibt den Löwen nur der Hilferuf: Savio, bitte melde Dich!
Marco Plein, Gunnar Jans