Robert Niemann wirft hin!
MÜNCHEN - Weil der Geschäftsführer nach seinem Fan-Rüffel und seiner Haltung in der Stadionfrage nicht mehr den uneingeschränkten Rückhalt in den Klub-Gremien spürte, wirft er nach 106 Tagen schon das Handtuch. Eine einsame Entscheidung. Zur Unzeit.
106 Tage wird Robert Niemann am Sonntag im Amt sein als Geschäftsführer des TSV 1860. Es wird sein letzter sein.
Spätestens am Montag wird der 43-Jährige seinen Rücktritt bekannt geben. Seine Entscheidung sei, wie die AZ aus sicherer vereinsnaher Quelle erfuhr, unwiderruflich sein. Niemann soll seine völlig überraschende und einsame Entscheidung damit begründet haben, in den Klub-Gremien keinen uneingeschränkten Rückhalt für seinen Sanierungskurs mehr zu spüren.
Schon am Donnerstagabend hatte Niemann bei einer kurzfristig einberufenen außerordentlichen Aufsichtsratssitzung gefehlt, auch am Freitag war er nicht auf der Geschäftsstelle aufgetaucht. Er hat sich krank gemeldet. Tatsächlich ließ er aber gestern das Präsidium um Präsident Rainer Beeck, seit Freitag bis nächsten Mittwoch in seinem Job als Flughafen-Prokurist in Dubai tätig, die kreditgebenden Banken und nicht zuletzt die wichtigsten Sponsoren, Investoren und Gönner über seinen Entschluss informieren.
„Bitte haben Sie Verständnis, dass ich zu diesen Personal-Spekulationen keine Stellung nehmen möchte und kann“, sagte 1860-Vizepräsident Dieter Schneider Freitagabend zwar. Doch nach AZ-Informationen haben die Gremien Niemanns Rücktrittsgesuch bereits akzeptiert. Und so endet auch die kurze Amtszeit des früheren DFL-Managers mit einem Knall.
Dabei war Niemanns Bilanz, der erst am 1. August dem wegen des verlorenen Cateringprozesses gegen den FC Bayern zurückgetretenen Manfred Stoffers nachgefolgt war, recht erfolgreich. Er rettete 1860 binnen Wochen vor der nach dem verlorenen Cateringprozess und nach den (von ihm zu verantwortenden) versäumten Spielerverkäufen auch vor der akut drohenden Zahlungsunfähigkeit. „Die wirtschaftliche Stabilität in finanzieller Hinsicht ist erreicht", hatte Niemann erst am 4. November verkündet. Schon vorher hatte der Geschäftsführer das komplett zerrüttete Verhältnis zum FC Bayern normalisiert und eine Stundung der Schulden ausgehandelt. Auch mit der DFL hatte sich Niemann verglichen und eine recht milde Strafe von nur zwei Punkten Abzug wegen Unregelmäßigkeiten im Lizenzierungsverfahren erwirkt.
Am Ende ist der Ökonom, der gerne auf seinen Doktor in Kommunikationswissenschaft verwies, auch über eine unglücklich vorgetragene Erklärung gestolpert: Am Sonntag hatte er vor dem 2:1 gegen Aachen vergeblich versucht, ein Arena-kritisches Transparent abhängen zu lassen. „Meinungsfreiheit ist die eine Sache, ob es dem Verein in der jetzigen Situation weiterhilft, aber eine andere“, hatte er gesagt – und Fans beschuldigt, Gewalt gegen Ordner angewendet zu haben. Zudem hatte er den Verbleib in der Allianz Arena in Aussicht gestellt und die Arena-Gegner als „einige“ bezeichnet, die „ihre Stadionmeinung überproportional gewichtet nach außen tragen“.
Am Montag musste Niemann seinen Gewaltvorwurf zurücknehmen. Den Aufschrei der Fans konnte er damit nicht verhindern. Präsident Beeck bekräftigte in einem AZ-Interview zudem, dass eine Entscheidung pro Arena noch nicht gefallen sei. „Ich bin da selbst auch dreigeteilt“, sagte er noch zur Stadionfrage. Niemann hat dies wohl als Ohrfeige empfunden – und hinterlässt nun den nächsten Scherbenhaufen bei 1860. Aufkehren muss den nun sein Nachfolger. Nach AZ-Informationen derzeit heißester Kandidat: Robert Schäfer, derzeit Projektleiter beim 1860-Vermarkter IMG.
Filippo Cataldo, Reinhard Franke, Marco Plein