Psychologin Ohlert: „Pourie braucht keinen Papi“
Warum junge Spieler immer öfter Routiniers attackieren – die Psychologin erklärt’s.
AZ: Frau Ohlert, was veranlasst den 18-jährigen Marvin Pourie, sich mit dem 34-jährigen Routinier Torben Hoffmann zu prügeln?
JEANNINE OHLERT: So etwas passiert immer in besonderen Drucksituationen. Normalerweise aber nehmen junge Spieler ältere als Respektspersonen wahr. Dass sich dieses Rollenverhalten wandelt, beobachten wir beim Fußball wie in der Gesellschaft.
Teenager Pourie fehlt der Respekt vor dem Alter?
Der Respekt vor Autoritäten ist innerhalb von Teams nicht mehr so vorhanden wie früher noch. Das hat man bei Lukas Podolskis Ohrfeige für Kapitän Michael Ballack gesehen (beim WM-Qualifikationsspiel Deutschland gegen Wales am 1. April in Cardiff, d. Red.) Wenn es zu einer Prügelei im Training kommt, hat das aber mit der Teamkultur zu tun. Der Vorfall bei 1860 ist für mich ein Indiz, dass der Trainer bewusst Härte zulässt – und sie nicht in dem Maße sanktioniert, wie er es vielleicht tun sollte.
Bayerns Mark van Bommel meinte zur Rangelei zuletzt in Wolfsburg,, dies zeige, dass das Team lebt und brennt.
Reiberein sind nicht grundsätzlich falsch. Sie sind ein Zeichen für die Motivation, das Beste zu geben. Im Team muss jeder seine Meinung sagen können. Wird die in Form einer Prügelei ausgedrückt, ist das negativ. Das hat dann nichts mit Motivation, sondern Frustration und einem schlechten Konfliktverhalten innerhalb des Teams zu tun.
Unter Trainer Wolf wird Pourie nicht mehr spielen. Eine zu harte Strafe?
Wäre es eine einmalige Sache gewesen, wäre diese Strafe zu hart. Da er allerdings schon vorher aufgefallen ist, scheint mir die Suspendierung eine Art „Sammelstrafe“ für alle vorherigen Probleme zu sein.
Marvin Pouries Vater war stets beim Training. Wie ist das zu bewerten?
Ein Profi wie Pourie braucht keinen Papi neben sich. Wir erleben das bei unserer eigenen Arbeit mit Sportlern immer wieder, dass junge Spieler im Team wesentlich entspannter auftreten, wenn die Eltern nicht anwesend sind.
Interview: Reinhard Keck
