Prozess gegen die Löwen am Arbeitsgericht gestartet
München - Winzererstraße 106, 80797 München. Arbeitsgericht. Hier spielt sich derzeit beim TSV 1860 mehr ab als an der Grünwalder Straße. Am Montag hatte Profi Karim Matmour gegen seine Degradierung zur U21 geklagt und – bei guten Siegchancen im Hauptsacheverfahren – vorerst verloren. Gestern folgte die ehemalige sportliche Leitung.
Nacheinander klagten Ex-Scout Peer Jaekel, Ex-Trainer Kosta Runjaic und Ex-Sportchef Thomas Eichin gegen 1860 – alle aus demselben Grund: Die Löwen hatten, vereinfacht gesagt, unter der Führung von Geschäftsführer Anthony Power die Gehaltszahlungen an das Trio eingestellt beziehungsweise minimiert.
In einem waren sich die drei Kläger-Parteien einig: Die Vorwürfe, mit denen Sechzig die Maßnahmen rechtfertigt, seien "an den Haaren herbeigezogen" (Jaekels Anwalt Ralf Stempel), "nebulös und rufschädigend" (Runjaics Anwalt Sidney Balan). Eichins Rechtsbeistand Alexander Kirsch ergänzte: "Wir wollen dem Verein nicht schaden. Wenn er aber anfängt, irgendwelche Vorwürfe zu suchen, gibt es die Retourkutsche." Eine gütliche Einigung gab es letztendlich in allen drei Verhandlungen nicht, doch die lieferten fragwürdige Details zutage.
Die AZ erklärt die drei Fälle:
Fall Jaekel: Zum 6. Januar 2017 wurde Jaekel fristlos entlassen, hat dagegen Kündigungsschutzklage eingereicht, er habe sich "nichts zuschulde kommen" lassen. Anwalt Tassilo König, in Abwesenheit von Power einziger Vereinsvertreter, wartete mit folgendem Argument auf: Fehleinkauf eines Spielers. Es handelt sich dabei um den vormals vertragslosen November-Neuzugang Sebastian Boenisch – anfangs verletzungsgeplagt, nun Stammspieler. Jaekel habe im Rahmen des Medizinchecks nicht vor dem erhöhten Risiko einer Verpflichtung gewarnt.
Der 34-Jährige erklärte nach Beendigung der Anhörung, die nun am 19. Mai im Kammerverfahren entschieden wird: "Wenn man sieht, dass er jetzt Stammspieler ist, sollte man davon ausgehen, alles richtig gemacht zu haben. Ich denke, wir haben eine gute Position: Ich kann mich ja gar nicht über einen Mediziner hinwegsetzen. Was die Gegenseite da vorbringen möchte, kann ich nicht so richtig sagen – der gegnerische Anwalt hat in Rätseln gesprochen." Ein Rätsel auch, wie 1860 den Fall gewinnen will.
Fall Runjaic: Die Verhandlung des Ex-Coaches verlief ungleich kürzer, da König diesmal mit den Vorwürfen gegen Runjaic nicht ins Detail gehen wollte. Er nannte lediglich die Stichworte "Fehleinsatz" (des Spielers Boenisch?) und "Beratergeschäfte", was darauf abzielen könnte, auch Runjaic Unregelmäßigkeiten bei Transfers vorzuwerfen. Matmour, Filip Stojkovic und Fanol Perdedaj etwa wurden nach AZ-Informationen alle über dieselbe Beratungsagentur geholt, was noch keinen arbeitsrechtlichen Verstoß des amtierenden Trainers darstellt.
Kurios: Anwalt Balan erklärte, dass man sich bei einem Schlichtungsverfahren des DFB schon unterschriftsreif geeinigt hatte, die Löwen aber doch noch abgelehnt hätten. Das "überarbeitete" Angebot: Vertragsende am 30. Juni 2017, Abfindung 84.000 Euro – nicht einmal die Hälfte des von Runjaic als "fair" bezeichneten Ursprungs-Angebots. Balan behielt sich eine Klage gegen rufschädigende Behauptungen der Löwen vor.
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Fall Eichin: Der freigestellte Sportchef hat noch einen Vertrag bis 30. Juni 2019, ebenfalls nur noch ein Minimum an Gehaltszahlungen erhalten und in der Verhandlung nicht erfahren, was ihm vorgeworfen wird. Er kann daher nur den Kopf schütteln. Eichin: "Das tut doch keinem gut, weder Sechzig noch meiner Person. Wenn ich nur von irgendwelchen Vorwürfen höre: Ich bin seit weit über 20 Jahren im Geschäft, arbeite nach bestem Wissen und Gewissen, nach den Regeln der Fifa und der Regularien – ich habe mir nichts vorzuwerfen, lediglich, dass wir mal ein Spiel nicht gewonnen haben."
Sowohl bei Runjaic als auch bei Eichin geht’s nun ebenfalls im Hauptsacheverfahren weiter, sollte nicht doch noch eine außergerichtliche Einigung erzielt werden. Vielleicht sollte Sechzig trotz des restriktiven Kurses unter Power und Investor Hasan Ismaik der Erfahrung eines langjährigen 1860-Mitarbeiters folgen: "In solchen Prozessen haben wir noch nie gut ausgesehen."