Pauli-Trainer Frontzeck: Werden nie über die Kohle kommen"
AZ: Herr Frontzeck, haben Sie noch Sodbrennen?
MICHAEL FRONTZECK: Sodbrennen?
Sie haben zuletzt 2:0 in Dresden geführt, 2:3 verloren - und sagten: „Das fühlt sich an wie 24 Stunden Sodbrennen.“
Hat es auch. Aber 24 Stunden sind ja mittlerweile vergangen (schmunzelt). Wir haben diese Saison auch schon sehr enge Spiele gewonnen. Nur haben wir nicht das Patent darauf, Spiele zu drehen!
Samstag kommt mit 1860 ein Team, das zwei Gesichter hat: ein Heim-Gesicht und ein Auswärts-Gesicht.
Auswärts sind sie brandgefährlich, spielen sehr flexibel, schalten blitzschnell um. Dazu haben sie mit Rob Friend vorne einen Brecher, sind über die Flügel extrem stark. Sie haben nicht umsonst als einzige Mannschaft in Braunschweig gewonnen.
Sowohl bei 1860 als auch beim FC St. Pauli träumen Fans grundsätzlich vom Aufstieg. Nervt das?
Ich habe nichts gegen Träume. Aber in unserer momentanen Situation verbieten sich solche Gedankenspiele. Da zählt derzeit nur der Klassenerhalt.
Und langfristig?
Wir brauchen Zeit. Beispiel Braunschweig: Das muss unser Weg sein. Sie spielen schon im vierten Jahr zu 99 Prozent mit demselben Kader. Nur so kann etwas wachsen. Braunschweig ist ein gutes Vorbild für die ganze Liga.
Bekommen Sie so viel Zeit?
Das werden wir sehen. Ich hoffe auf Geduld und habe ein gutes Gefühl. Ich kenne aber das Geschäft, da geht es manchmal ganz schnell. Das ist ja oft ein Problem im Fußball, dass gute Vorsätze schnell über den Haufen geworfen werden.
Bei den Löwen mischt mit Hasan Ismaik ein arabischer Investor mit. Was halten Sie von Investoren im Fußball?
Es fällt mir schwer, mich daran zu gewöhnen, ganz ehrlich. Um den Fall von 1860 zu beurteilen, bin ich zu weit weg. Ich wünsche dem Klub nur, dass Ruhe einkehrt, dass es klare Ansagen nur intern gibt – nicht extern. Beim FC St. Pauli wird es nie einen Investor geben. Der Verein verkauft sich nicht. Wir werden nie über die Kohle kommen. Das sind wir nicht. Aber wir haben viele andere Dinge zu bieten. Mit dem neuen Stadion, dem neuen Trainingszentrum. Hier kann etwas entstehen.
Alle sagen, dass St. Pauli ein besonderer Klub ist. Sie sind seit sechs Monaten da. Also?
Unser Publikum ist außergewöhnlich, absolut loyal der Mannschaft gegenüber. So etwas gibt es nur noch selten.
Sie haben sieben Punkte Vorsprung vor dem Relegationsplatz.
Ich habe nicht gejammert als es nur zwei Punkte waren. Ich beteilige mich jetzt auch an der Angstmacherei nicht. Das bringt doch nichts. Ob es zwei, sieben oder neun Punkte sind, spielt für mich keine Rolle. Es ist ein ganz enges Rennen.
Sie haben sich die Saison sicher anders vorgestellt.
Unser Kader ist zu klein. Wenn vier oder fünf Spieler ausfallen, können wir das nicht kompensieren. Da werden wir zur neuen Saison ansetzen. Wir müssen in der Breite stärker werden.
Sie waren bisher ausschließlich in der 1. Liga aktiv, St. Pauli ist Ihre erste Station in der 2. Liga. Wie stark ist sie?
Das ist die stärkste und beste 2. Liga in Europa. Wenn ich sehe, dass Regensburg Letzter ist! Die haben bei uns, in Köln, in Cottbus super gespielt. Die Liga ist richtig kompliziert.
Nach einem Zusammenprall mit Torwart Tschauner zogen Sie sich zuletzt einen Lungenriss zu. Wie geht es Ihnen?
Ich nehme leichte Schmerztabletten, fahre die Dosierung aber mehr und mehr runter. Ich habe Glück gehabt.
Spielen Sie künftig noch mal bei einem Trainingsspiel mit?
Ich denke, das war mein letzter Auftritt bei „Jung gegen alt“ (schmunzelt).
Apropos alt. Jupp Heynckes ist der dienstälteste Bundesliga-Trainer und spielt eine Rekord-Saison.
Ich habe ihm viel zu verdanken. Er war mein erster Profitrainer, hat mich damals ins kalte Wasser geschmissen. Noch heute haben wir ein gutes Verhältnis. Jupp ist ein fantastischer Trainer. Als ihn die Mannschaft hochleben ließ nach der Meisterschaft, ist mir das Herz aufgegangen. Das war ein großer Moment. Ich wünsche Jupp, dass er die Champions League gewinnt. Ich war vergangene Saison gegen Chelsea im Stadion. Selbst mir als Unbeteiligten hat das wehgetan. Da kann man sich vorstellen, wie es Jupp und den Spielern ging.<QM>Interview: Marco Fenske