„Pass auf, da kimmt oana“
So eng, so laut, so Angst einflößend für die Gegner: Hier erklärt Meisterlöwe Wagner, was das Grünwalder Stadion einzigartig macht. Für ihn steht fest: „Das Sechzger ist ein Denkmal“
Von Florian Kinast
AZ: Herr Wagner, die Löwen kehren am Samstag nach Giesing zurück, da sind Sie sicher auch dabei, in Ihrer alten Heimat, oder?
MANFRED WAGNER: Freilich. Die ganze Meister-Mannschaft von '66 kommt. Außer dem Radi und dem Küppers, die sind beide im Urlaub. Sonst sind alle da. Aus der Schweiz kommen Luttrop, Konietzka, Perusic, der Steiner Rudi kommt aus Passau, die anderen sind alle Münchner. Ich glaube, in der Halbzeit vom Spiel gegen Dortmund ist dann noch eine Ehrung: Ich denk', das wird ein richtig schöner Tag in Giesing.
Viele aus Ihrer Erfolgsmannschaft wurden ja bei einer Umfrage der Löwen-Fans ins Allstar-Team gewählt: Spielen Sie denn auch mit beim Vorspiel gegen eine Fan-Elf?
Nein. Wir haben von Haus aus gesagt, wir gehen in Zivil dahin. Da gibt es ja etliche von uns, die sind noch ganz fit und gut in Schuss, aber das bringt doch nix, wenn wir da unten noch herumlaufen. Da kannst nur verlieren. Die wollten den Radi ja auch überreden, dass er sich noch paar Minuten ins Tor stellt, und abgesehen davon, dass er eh keine Zeit hat, hätte er das auch nicht gemacht. Der Radi ist 75, wir anderen 72, 68, 71 und so weiter, das macht keinen Sinn.
Dann können Sie ja in Ruhe auf der Tribüne das Flair der Giesinger Löwen-Heimat genießen.
Ach, das sind so wunderbare Erinnerungen. Die Meisterschaft, das 1:1 gegen den HSV, wo der Kanzler Erhard da war, der OB Vogel und sogar der Neudecker vom FC Bayern. Und natürlich das Spiel gegen Turin.
Das 3:1 im Europacup, Halbfinal-Rückspiel 1965.
Das war das vielleicht legendärste Spiel. Eine richtige Schlacht. Ich kenne viele, die heute noch sagen, dass das das Beste war, was das Grünwalder jemals erlebt hat. Die Dramatik, wie wir das 0:2 aus dem Hinspiel noch umgebogen haben, dann ein Entscheidungsspiel in Zürich erzwungen haben. Und wie wir dort dann das Endspiel in Wembley erreicht haben, wunderbar. Herrliche Zeiten waren das.
Da ging es dem Stadion auch noch besser als jetzt. Keiner hat länger im Grünwalder gespielt als Sie. Was war denn so einzigartig an dem Stadion?
Das ging ja schon los mit dem Spielereingang. Wie wahnsinnig eng das da drin war. Dann die Kabine, die war auch winzig klein, und dann ist da auch noch die Massagebank drin gestanden. Manchmal haben wir uns ja schon auf dem Trainingsplatz umgezogen und sind dann mit dem Bus zum Stadion. Oder wenn du durch den Tunnel rausgegangen bist aufs Spielfeld, da war immer eine Stimmung, die war nicht zum Glauben. Die Tribünen gesteckt voll und laut war's, dass du richtig gemerkt hast, dass die Gegner jetzt fast Angst kriegen.
Haben Sie die Rufe der Zuschauer denn damals auch gehört?
Natürlich. Ich war ja rechter Verteidiger, wenn du da an der Außenlinie herumgelaufen bist, dann hast du schon immer mitgekriegt, wie die Leute schreien: „Guad spuist!“ Oder: „Pass auf, da kimmt oana.“ Und freilich haben uns nicht nur die Zuschauer angetrieben, sondern auch der Max Merkel. Bei dem hast dir gar nicht erlauben dürfen, dass du mit halber Kraft spielst. Wehe, du bist mit einem trockenen Trikot vom Platz runtergegangen.
Max Merkel gibt es nicht mehr, und das Sechzger ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Zum Bedauern vieler Fans.
Was man hätte machen können und früher verkehrt gemacht hat – ich will da gar nicht mehr zurückschauen. Ich hab' neulich mit dem Fredi Heiß gesprochen, da haben wir gesagt, das bringt nix, wenn man jetzt noch nachkartelt und irgendjemand die Schuld gibt. Ich hab' gesagt: Fredi, du hast recht, wir müssen an die Zukunft denken.
Und wie sieht die Zukunft aus? Und wo spielen die Löwen? Doch wieder im Olympiastadion?
Das müssen die Verhandlungen ergeben. Ich will mich da auch gar nicht einmischen. Man muss einfach schauen, wie man finanziell am besten über die Runden kommt.
Tut es Ihnen weh, wenn Sie sehen, wie das Sechzger mit den Jahren immer mehr verfallen ist?
Schwer zu erklären. Ich fahre ja oft vorbei und bin ja noch oft da, wenn ich mir die Spiele der Regionalliga-Löwen anschaue. Natürlich kannst da auch wehmütig werden. Aber ich hab' mich inzwischen damit abgefunden. Richtig schlimm wär's für mich gewesen, wenn sie es abgerissen hätten. Das hätt' mir sehr weh getan. Die Hauptsache ist für mich, dass es noch steht und auch bleibt. Das Sechzger ist einfach ein Denkmal. Das ist ein Stück München.