Neuer Zeitplan fürs Grünwalder Stadion, Entscheidung zum Standort Riem gefallen
Der OB antwortete kurz und deutlich. „Ja“, sagte Dieter Reiter einfach nur, als die AZ ihn Anfang September fragte, ob es heuer noch einen Stadtratsbeschluss zum Um- oder Ausbau des Grünwalder Stadions geben werde. Doch dieser Zeitplan wird, mal wieder, nicht eingehalten werden.
Zumindest nicht in dem Sinne, dass der Stadtrat wirklich entscheidet, was denn nun umgebaut werden soll - und was nicht. In der kommenden Woche immerhin kommt das Thema in den Sportausschuss, die entsprechende Beschlussvorlage aus Reiters Verwaltung liegt der AZ vor. Und daraus geht deutlich hervor, was die nächsten Schritte sind. Beziehungsweise: sein könnten.

Anders als über viele Jahre hinweg ist bei dieser Verzögerung aber kein Schwarze-Peter-Spiel zu erwarten, Stadt-Spitze und Löwen dürften sich nicht öffentlich beschuldigen, kein echtes Interesse an einer Lösung zu haben. Denn die erneute Verzögerung scheint im Interesse der Löwen zu sein und ihren Bitten zu entsprechen - um zu vermeiden, dass der Stadtspitze endgültig der Geduldsfaden reißt und sie eine kleine Sanierungslösung beschließt, die den Sechzgern perspektivisch überhaupt nicht helfen würde.
Ganz offiziell streben die Löwen nun eine "Bundesliga-Tauglichkeit" an
Stattdessen wurde wie berichtet eine Stadionkommission gegründet, man ist nun regelmäßig gemeinsam im Gespräch. Und: Die Löwen sollen eigene Pläne vorlegen, wie sie denn eine Bundesliga-Tauglichkeit an diesem Standort herstellen, 25.000 Zuschauer am Standort Grünwalder Straße realisieren wollen. Heute dürfen 15.000 rein, die Stadt hatte viele Jahre von einer theoretischen Obergrenze von 18.100 gesprochen (und einer Komplettüberdachung und Vip-Bereichen), mehr sei hier nie wieder genehmigungsfähig. Die Löwen haben bei der Stadt auch hinterlegt, von Oberrängen für VIP-Logen/Hospitalitybereiche ergänzen zu können (über der Stehhalle, so hieß es zumindest einst) und wollen nochmal über die die Frage des Namensrechts für das Stadion und die Nutzung der Stadiongastronomie/Kioske sprechen.
Diese Erweiterung um 3100 Plätze zumindest ist ganz offiziell weiter möglich. Ein entsprechender Vorbescheid wurde inzwischen bis Juli 2029 verlängert, schreibt die Verwaltung.

Nun wird also kein Beschluss mehr in diesem Jahr angestrebt, auch keiner mehr vor der Wahl im März (was für die Löwen den Nachteil hat, dass erfahrungsgemäß in Wahlkämpfen Dinge plötzlich möglich werden, die danach wieder in den Tiefen der Verwaltung versumpfen würden). Sondern: Ende 2026.
Das aber bedeutet für den TSV 1860 weiterhin einen großen Zeitdruck. Denn das Datum hält die Verwaltung offenbar für die allerletzte mögliche Frist. Und solche Beschlüsse müssem monatelang vorbereitet werden. Aus Rathauskreisen heißt es, bis in etwa einem halben Jahr müssten die Sechzger demnach einen niet- und nagelfesten Plan vorlegen können, was mit dem Stadion passieren soll.
Wenn der Stadtrat Ende 2026 entscheidet, hält man in der Stadtverwaltung für realistisch, dass die Löwen noch bis 2029 im Grünwalder kicken - und dann ins frisch sanierte Olympiastadion umziehen könnten, das offiziell als „vorgesehene Ausweichspielstätte“ benannt wird. „Aus heutiger Sicht“ heißt es, könne bis dahin der Spielbetrieb in Giesing aufrecht erhalten werden.

Dass, wie in Karlsruhe oder Stuttgart geschehen, während der Umbauarbeiten im Grünwalder Fußball gespielt wird, schließt die Stadt aus - das sei wegen der für eine Großbaustelle schwierigen innerstädtischen Lage nicht möglich. Für Planung und Umsetzung der Sanierung geht man von „circa fünf bis sechs Jahren“ aus.
Und was, wenn sich Sechzig und die Stadt gar nicht auf ein gemeinsames Konzept einigen?
Bleibt die Frage, was eigentlich passiert, wenn sich Stadt und Löwen auch 2026 nicht einigen - wegen der klammen Kassenlage der Stadt, in der Stadtpolitik gehen alle davon aus, dass nach der Wahl Sparhammer auf Sparhammer folgt. Oder auch, weil die Löwen sich nicht einigen oder nichts Handfestes aufbieten können - weder für die Option Erbbaurecht, die die Stadt nun auch in der Beschlussvorlage offiziell erwähnt, noch für den Fall, dass das Stadion städtisch betrieben bleibt und man sich auf langfristige Mietbedingungen einigen müsste.
Im Rathaus raunt es, wenn nichts passiere, müssten im maroden Stadion schon in wenigen Jahren Tribünen gesperrt werden. OB Dieter Reiter hat schon betont, dass sowieso saniert werden muss - heißt zur Not eben ohne die Löwen. So richtig will das aber auch keiner. Schon deshalb, weil auch diese Variante viel Steuergeld fressen würde.
Von diesen Kosten geht die Stadt für eine Minimal-Lösung aus
In der Beschlussvorlage ist die Rede davon, dass eine Sanierung im Bestand 40 Millionen Euro netto kosten würde (Indexstand November 2024). So würden die Tribünen instand gesetzt werden und Maßnahmen umgesetzt, die „für einen vernünftigen und reibungslosen Stadionbetrieb unverzichtbar sind“.
Für eine dauerhafte Profifußball-Zukunft wäre das Stadion damit aber quasi verbaut. „Hier sind keine Maßnahmen für eine spätere Erweiterung der Stadionnutzung (u.a. Überdachung/Hospitality etc.) vorgesehen“, schreibt die Stadt.

Das Wort „Riem“ übrigens taucht in der Vorlage nicht auf. Dieter Reiter hatte Anfang September noch Druck gemacht. In Riem sei die letzte städtische Fläche, auf der ein größeres Stadion (er sprach von einer Kapazität bis 45.000) entstehen könnte. Doch er habe den Sechzgern mitgeteilt, dass dort ein längerfristiger anderer Mietvertrag verlängert würde, wenn er keine „klare Ansage“ bekäme. Hieß für Sechzig wohl: jetzt - oder nie.
1860-Präsident Gernot Mang erklärte daraufhin öffentlich, er setze auf Giesing. Und hat das offenbar nun auch der Stadt mitgeteilt. Der anderweitige Mietvertrag wurde nach AZ-Informationen mittlerweile verlängert. Riem ist also vom Tisch.
Und noch etwas überrascht in der Vorlage: die Einigkeit der Löwen, die der OB stets eingefordert hatte. „Ein klares Bekenntnis zum Verbleib im Städtischen Stadion an der Grünwalder Straße mit einer gewünschten Kapazität von 25.000 Zuschauer*innenplätzen“, meldet die Stadt auch von der „Investorengruppe“ – also von Hasan Ismaik.
„Alle Wege führen nach Giesing“, so stand vor Jahren mal auf einem Banner in der Westkurve. Doch was dieser Weg genau bedeutet – und welche Rolle irgendwann doch noch das Olympiastadion spielen könnte – das ist wieder mal ziemlich offen.

