Mit Glöckner: Krisen-Löwen nehmen Vorbereitung auf Schicksalsspiel in Aue auf

Patrick Glöckner kam am späten Dienstagvormittag allein aus dem Kabinentrakt – und demonstrierte betont gute Laune. „Servus zusammen“, grüßte der Trainer des TSV 1860 lächelnd die Kiebitze an der Grünwalder Straße 114 und versprach ihnen, akribisch daran zu arbeiten, die Eindrücke der Tage davor wieder zurechtzurücken. Glöckner sah dabei nicht aus wie ein Coach, der kurz vor der Demission stehen könnte, wirkte weder verunsichert noch planlos, die erste Trainingseinheit vor dem Wegweiser-(End-)spiel beim FC Erzgebirge Aue am Samstag (14 Uhr) bestätigte dies.
Bisweilen war eine Energie in der Löwen-Mannschaft zu sehen, die sich Klub und Anhänger beim 1:5-Desaster gegen Hoffenheim II gewünscht hätten. Glöckner dirigierte viel, gab immer wieder Anweisungen und verteilte auch manches Lob. Der 48-Jährige ging als Aktivposten voran, wenn man so will. Ehe die Spieler nach einem gut 15-minütigen Lauf an den Isarauen auf den Einserplatz gingen, hatte in der Zwischenzeit der Trainer bereits eigenhändig Übungen aufgebaut, selbst das Material aus dem Schuppen geholt.
AZ-Info: An Glöckners Position wird in dieser Woche nicht gerüttelt
Insgesamt waren auch die Blicke von Kevin Volland, Florian Niederlechner und Co. einen Tick freundlicher, zuversichtlicher, weniger betrüblich und fassungslos als noch drei Tage zuvor im Grünwalder Stadion. Vielleicht hatte ja die um 10.30 Uhr angesetzte Besprechung den Spirit aufgefrischt und neu erweckt. Nötig wäre es unbedingt, denn der kommende Auftritt bei den Veilchen dürfte in vielerlei Hinsicht Signalwirkung haben – auch was Glöckners Position angeht, an der nach AZ-Infos zumindest in dieser Woche nicht gerüttelt wird.
Dass zwischen ihm und der Mannschaft nach den sportlichen Erschütterungen in Rostock und gegen die Kraichgau-Youngsters ein Riss bestehen könnte, dem widersprach ohnehin das nach außen sichtbare Gesamtbild. Wie das Abrutschen von Rang zwei (Sonntagabend vor einer Woche) auf Rang zehn auch die Spieler besorgt und umtreibt, zeigte das Beispiel Niederlechner. Der 34-Jährige nahm sich nach der ersten von zwei Einheiten des Tages, denen dann noch der offizielle Wiesn-Termin der Sechzger folgte, einige Minuten Zeit, um sich mit Fans am Trainingsplatz über die Löwen-Lage zu unterhalten.
Glöckner macht sich mit taktischen Entscheidungen angreifbar
Das hatte der Ex-Bundesliga-Profi zuvor auch ausgiebig mit Glöckner getan. Während ein Gros der Mannschaft schon in Richtung Kabine unterwegs war, hockten sich der Coach und Niederlechner auf eine Bank neben dem Rasen und sprachen einige Minuten miteinander. Beide gestikulierten hin und wieder, als würden sie bestimmte Spielsituationen gedanklich durchgehen. Auch hier blieb der Eindruck hängen, dass die Dringlichkeit einer Trendwende erkannt wurde. Denn noch ist die Tabellen-Lücke mit fünf Zählern auf Rang zwei schnell korrigierbar.
Dafür muss Glöckner aber ein besseres Händchen bei seinen Entscheidungen entwickeln. Die taktische Konzeption ging zuletzt zweimal krachend in die Hose, wie die drei Halbzeit-Wechsel in Rostock und sogar vier gegen Hoffenheim II belegen. Die zunächst solide funktionierende Dreierkette zerbröselte plötzlich in lose einzelne Glieder, die auch keine Verbindung zu den anderen Mannschaftsteilen mehr hatten. Dazu war an der Ostsee die Variante mit Maximilian Wolfram in der Volland-Rolle ein Fehlschlag, ebenso wie jene im Grünwalder mit Patrick Hobsch in der Spitze, die nicht zum Stil des Gegners passte.
Aue-Gastspiel könnte für Glöckner entscheidend sein
Es gibt also durchaus Gründe, Sechzigs Trainer kritisch zu hinterfragen. Ob sich daraus bald schon eine ausgewachsene Krise entwickelt, die die berühmten Mechanismen des Geschäftes nach sich zieht, darüber entscheidet das Gastspiel in Aue, wo die Löwen zuletzt vor zweieinhalb Jahren unter Maurizio Jacobacci siegten. Es war damals der insgesamt erst zweite Erfolg bei bisher 13 Duellen im Erzgebirgsstadion. Dem Wiesn-Waterloo sollte besser ein Aufwind in Aue folgen.