Meisterlöwe Fredi Heiß wird 85: "Mich ärgert der Mimosenfußball heutzutage"

Der ehemalige 1860-Stürmer spricht im großen Geburtstagsinterview über seine Anfänge bei den Sechzgern, den Traum vom Aufstieg und warum er Ismaik zunächst für einen "Hamperer" hielt.
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Fredi Heiß auf dem Weg ins Grünwalder Stadion. Nach seinem 85. Geburtstag am Freitag geht es am Samstag nach Giesing zum Löwen-Spiel gegen Schweinfurt.
Fredi Heiß auf dem Weg ins Grünwalder Stadion. Nach seinem 85. Geburtstag am Freitag geht es am Samstag nach Giesing zum Löwen-Spiel gegen Schweinfurt. © IMAGO/Ulrich Wagner

AZ: Lieber Herr Heiß, herzlichen Glückwunsch zum 85er! Die wichtigste Frage zuerst: Wie gut ist Sechzigs Meisterlöwe noch in Schuss, der einst auf Giesings Höhen und mit den Blauen zur Meisterschaft 1966 stürmte?
FREDI HEISS: Herzlichen Dank! Ich habe wie wohl jeder Greis in meinem hohen Alter ein paar Wehwehchen, aber ich bin recht zufrieden. Gerade heute war ich beim Zahnarzt, aber nur bei einem Routinebesuch und ich kann Sie beruhigen: Ich kann noch beißen. Ich kann auch sonst alles machen, ein bisschen Sport und solche Altherrenaktivitäten wie Golf, worüber ich früher immer gesagt habe: "Das mach’ ich nie: Draufhauen und hinterherlaufen" – das gibt’s ja schon beim Fußball (lacht). Aber mei, die Muskeln werden weniger und die Knorpel schwächer, also laufe ich jetzt auch manchmal mit Freude dem Golfball nach.

Wie begehen Sie den halbrunden Geburtstag?
Ich feiere mit meiner Familie: mit meiner Frau, meiner Tochter, meinem Sohn, meiner Enkelin und unseren Enkelkindern. Der jüngste Heiß ist auch dabei: Der ist gerade mal sechs Wochen alt und für mich wirklich eine große Freude, dass mir meine Enkelin noch ein zweites Urenkerl beschert hat. Mit meiner Frau bin ich schon über 60 Jahre verheiratet. Das sind meine Freuden, meine Stützen im Leben. Dazu kommen auch noch ein paar Stammtische mit Freunden und alten Löwen-Kollegen, zum Beispiel beim Hofreiter am Viktualienmarkt oder ab und zu im Bratwurstglöckl, bei denen ich sicher mal einen ausgeben werde. Es ist auch schön, dass hier im Löwen-Stüberl mal wieder was zusammengegangen ist. Meine Golf-Freunde muss ich auch besuchen. Wenn die ganze Feierei dann wieder vorbei ist, fliege ich in meine Winter-Wahlheimat Teneriffa und wärme meine alten Knochen auf.

"Mein Vater und mein Onkel waren damals Fans des FC Bayern"

Wie viele Jahre Ihres Lebens haben Sie mit "Münchens Großer Liebe" verbracht?
Sechzig ist für mich wie eine Sucht. Als 13-Jähriger bin ich zu den Löwen gekommen, also kann man Pi mal Daumen von 72 Jahren Sechzig sprechen, in denen die Sechzger ein großes Thema waren. Aber auch schon als Bub habe ich die Löwen wahrgenommen. Was vielleicht noch nicht jeder weiß: Ich bin in Schwabing aufgewachsen und habe damals immer auf der Wiese vor der Alten Pinakothek gekickt. Mein Vater und mein Onkel waren damals Fans des FC Bayern.

Und trotzdem sind Sie ein Sechzger geworden.
Ganz genau und das kam so: Mein Vater war auch Mitglied bei einem kleineren Verein, ich glaube, es war Teutonia. Da habe ich dann einmal gespielt in der Mannschaft, mit Schiedsrichter. Dann hat der Trainer zu meinem Vater gesagt: "Der Bub kann was am Ball!" Ich bin aber dann zu den Löwen, weil ich das Tier, das Wappen, einfach die Bezeichnung "die Löwen" so toll fand. Der Name allein hat mir viel besser gefallen als der FC Bayern.

Es sollte scheinbar so kommen, dass Sie ein Blauer werden und kein Roter.
Absolut! Ich habe erst einmal in der zwölften Schülermannschaft gespielt, damals gab es 14 oder 15 Schülermannschaften. Innerhalb von vier Wochen war ich in der ersten Schülermannschaft. Ich hab’ oft Mittelstürmer gespielt und auch ein paar Tore geschossen, sodass es gut hingehauen hat. Dann hat sich schon abgezeichnet, dass ich mit dem Fußball weitermache, auch wenn man damals noch kein großes Geld verdienen konnte.

"1860 ist ein Abschnitt in meinem Leben, den man nicht missen möchte"

Wie konnte man sich das damals in den Fünfziger Jahren vorstellen? Mama und Papa Heiß haben Sie bestimmt nicht immer zum Training und den Spielen gebracht und abgeholt, wie es heutzutage durch Eltern oder Fahrdienste der Fall wäre.
Ich habe mir mein Radl geschnappt und bin als junger Jugendlicher von Schwabing zu den Blauen gefahren. Meine Eltern hatten gar nicht so viel Zeit, sie mussten viel arbeiten und ich konnte deshalb tun und lassen, was ich wollte – das war schlecht für die Roten und gut für die Blauen (lacht). Das Interesse meiner Eltern kam natürlich dann, als ich bei Helmut Schön in der Jugend-Nationalmannschaft gespielt habe.

Ihre restliche Karriere ist genauso Geschichte wie die größten Erfolge des TSV: Pokalsieger 1964, Europapokalfinale der Pokalsieger 1965, Deutscher Meister 1966. Unvergessen ...
Ich habe es schon oft gesagt und ich bleibe dabei: Diese Zeit war nicht nur die erfolgreichste Phase der Vereinshistorie, es für uns als Fußballer die schönste Zeit in unserem Leben. Diese Erfolge waren einmalig und sie haben uns als Mannschaft, als "Meisterlöwen" für immer zusammengeschweißt. Nehmen wir den heutigen Tag, wo wir hier im Löwen-Stüberl sitzen: Der Bernd Patzke, der Hansi Reich und ich, wir wären gar nicht hier, wären wir nicht damals ein Bestandteil dieser tollen Mannschaft gewesen, die füreinander eingestanden ist. Wir hatten super Fußballer, aber wir hatten auch einen immensen Zusammenhalt. Das ist ein Abschnitt in meinem Leben, den man nicht missen möchte.

Die Meisterlöwen Bernd Patzke, Fredi Heiß und Hans Reich (v.l.) bei der Feier zu 60 Jahre Wembley-Finale.
Die Meisterlöwen Bernd Patzke, Fredi Heiß und Hans Reich (v.l.) bei der Feier zu 60 Jahre Wembley-Finale. © sampics

Wie oft haben Sie noch Kontakt zu den restlichen Meisterlöwen?
Leider Gottes sind es ja nur noch fünf lebende Meisterlöwen: Zum Bernd Patzke und Hansi Reich öfter, wir treffen uns immer wieder und gehen auch wieder zu den Spielen. Auch zu Bubi Bründl, den ich nicht vergessen möchte, der auch immerhin Bestandteil unserer Mannschaft war. Zum Radi leider weniger, weil er ja bekanntlich in Belgrad lebt und mit seinen 90 Jahren auch nicht mehr so oft nach München kommt. Er hat leider auch etwas abgeschlossen mit Sechzig, was man ihm nicht verübeln kann.

"Bei Sechzig haben manche heute noch nicht begriffen, dass es ohne Investor nicht geht"

Damit nähern wir uns der jüngeren, weniger erfolgreichen Vereinshistorie der Giesinger: Sie waren später auch Funktionär, Vizepräsident und Aufsichtsrat. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?
Ohne ins Detail zu gehen, kann ich sagen: Sechzig hatte fast immer Geldprobleme. Gerade wegen der Professionalisierung des Fußballs, die immer weiter zugenommen hat, war klar, dass jeder Verein Sponsoren und Investoren braucht. Bei Sechzig haben manche heute noch nicht begriffen, dass es ohne Investor nicht geht. Mich ärgert auch der Mimosenfußball heutzutage, wenn die Spieler durch die Gegend fliegen, ob wohl sie kaum berührt worden sind und sich drei Mal am Boden wälzen. Was soll denn dieser Schmarrn, das ist ja lächerlich!

Wir sehen schon, wir sind bei Ihrer sportlichen Einschätzung im Hier und Jetzt angelangt.
Wenn wir damals etwas gelernt haben, dann das: Im Fußball ist alles möglich! Natürlich waren die ersten Spiele leider wieder einmal miserabel, sodass sie den Trainer rausgeschmissen haben. Aber seit ein paar Spielen schaut es wieder besser aus. Wichtig ist, dass die Spieler den Glauben nicht verlieren. Spielerisch ist die Dritte Liga oft ein Graus, aber mit mannschaftlicher Geschlossenheit kannst du viel gewinnen. Natürlich sind ein Kevin Volland und Florian Niederlechner gute Fußballer, aber die müssen in dieser Liga genauso Gas geben wie alle anderen auch. Die Erwartungen sind riesig bei Sechzig, aber das ist ganz normal und damit muss die Mannschaft klarkommen. Jetzt haben sie zum Glück mal ein Auswärtsspiel gewonnen, also wenn Sie mich fragen, ist da schon noch was möglich. Schaun mer mal!

Welchen Eindruck haben Sie vom neuen Trainer Markus Kauczinski und den letzten Spielen, in denen ein Aufwärtstrend erkennbar ist?
Er scheint kein Schlechter zu sein. Wenn es ihm gelingt, dass sie die Bälle nicht nur von hinten nach vorne schlagen, dass sie im Mittelfeld eine spielerische Dominanz hinbekommen, bin ich optimistisch. Stichwort Konstanz: dass sie Konstanz reinbringen, dass sie ihre Spielzüge nach vorne nicht nur daheim, sondern auch auswärts hinbringen, das wäre meine Hoffnung.

"Ein Schmuckkästchen mit 25.000 in Giesing klingt gar nicht so schlecht, aber ..."

Womit wir bei Ihren Wünschen wären: Was dürfen Ihnen die Blauen zum 85. erfüllen?
Mannschaftliche Geschlossenheit, sportlicher Erfolg und sowieso: den Sport als oberste Priorität, denn alles andere kommt danach. Es wäre schon schön, nicht nur die Euphorie zu erleben, sondern auch einen Aufstieg, den sich bei Sechzig jeder wünscht. Aber sollen sie erst einmal mit einem Sieg gegen Schweinfurt anfangen. Ich fahr’ raus und schaue mir das an.

Löwen-Legenden verschiedener Generationen: Kevin Volland, Daniel Bierofka, Benny Lauth und Fredi Heiß (v.l.) bei der Premiere der 1860-Dokumentation "Rise & Fall" im Cincinnati-Kino.
TSV 1860 München
Saison 2025 / 2026
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Löwen-Legenden verschiedener Generationen: Kevin Volland, Daniel Bierofka, Benny Lauth und Fredi Heiß (v.l.) bei der Premiere der 1860-Dokumentation "Rise & Fall" im Cincinnati-Kino. TSV 1860 München Saison 2025 / 2026 Copyright by : sampics Photographie Bierbaumstrasse 6 81243 München TEL.: ++49/89/82908620 , FAX : ++49/89/82908621 , E-mail : sampics@t-online.de Bankverbindung : Hypovereinsbank München Konto : 1640175229 , BLZ 70020270 IBAN : DE78700202701640175229 BIC : HYVEDEMMXXX weitere Motive finden sie unter : sampics.de © sampics

Im Profisport gibt’s doch oft Fünfjahrespläne, oder Ähnliches. Was wünschen Sie sich zum 90er?
Ob ich den noch erleben darf? Da hätten die Löwen zumindest ein bisserl Zeit! Ich wünsche mir, dass wir dann mindestens ein Zweitligist sind. Und dass das neue Präsidium um Gernot Mang, das sich mit uns Ehemaligen getroffen hat und uns glaubhaft versichert hat, etwas bewegen zu wollen, den Verein wirklich voranbringt. Ein Schmuckkästchen mit 25.000 in Giesing klingt verglichen mit dem jetzigen Zustand des Grünwalder Stadions gar nicht so schlecht, aber ich habe leise Zweifel, ob das wirklich machbar ist. Der Verein braucht Lösungen. Das vorherige Präsidium hat Hasan Ismaik bekämpft, das konnte nicht funktionieren. Ich wünsche mir auch, dass uns solche Peinlichkeiten erspart bleiben wie dieser geplatzte Investorenwechsel – typisch Sechzig! Natürlich ist Ismaik am Anfang eingestiegen wie ein Hamperer und hatte keine Ahnung von Fußball, von der 50+1-Regel. Ich habe ihm auch gesagt, als wir uns letztes Jahr getroffen haben: Am besten, ein Investor hält sich einfach raus! Wenn übrigens manche Leute meinen, ich wäre investorenfreundlich: Am liebsten wäre mir, wenn wir keinen brauchen würden, denn dann wäre Sechzig total gesund! Aber das kann heutzutage nicht funktionieren, deshalb wünsche ich mir, dass es mit Ismaik oder auch einem neuen Investor nach oben gehen kann.

Inzwischen sind wir beim Hundertsten angekommen, oder?
Sie haben Recht, bleiben wir realistisch. Wenn heutzutage ein Mensch geboren wird, heißt es, dass er ganz gute Chance hat, 100 zu werden. Es wäre jedenfalls schön für mich, mit Sechzig nochmal etwas richtig Positives zu erleben und sich nicht so viel ärgern zu müssen. Aber wenn man schon über 70 Jahre Sechzig hinter sich hat, wird es vermutlich schwierig mit dem Hunderter. (lacht)

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