Löwen-Krise: Die tiefblaue Depression
Dem 0:2 in Aachen folgt der große Frust. Reuter:„Wir haben uns wieder alles kaputt gemacht“ - jetzt müssen die Löwen den Rotstift ansetzen. Böswald erstes Sparopfer? Kaum noch Hoffnung bei Markus Schroth.
MÜNCHEN Eigentlich ist Stefan Reuter ein Berufsoptimist. Wann immer die Blauen in sportliche Turbulenzen geraten sind, der 42-Jährige, Weltmeister von 1990, hat trotz der Krisen oft gelächelt. Doch nach dem 0:2 in Aachen war selbst Reuter platt. „Wir haben uns wieder alles kaputt gemacht“, meinte er. Die Löwen sind auf Platz zehn abgerutscht – in der Zweiten Liga.
Reuter, seit fast drei Jahren bei 1860, wirkt ratlos und erschöpft. Ob er ahnt, dass er mit 1860 so schnell nicht nach oben kommt? An der Grünwalder Straße herrscht tiefblaue Depression, dafür gibt es einige Merkmale:
Die Finanz-Not: Die Sorgen sind – bei 5,3 Millionen Euro Fixkosten pro Saison für die Allianz Arena – so groß, dass 1860 jetzt an anderer Stelle sparen muss. Erstes Opfer: Mentalcoach Alfred Böswald. Er soll angeblich auf 30 Prozent seines Einkommens (geschätzte 80000 Euro) verzichten. Und Böswald könnte erst der Anfang sein. Reuter: „Wir müssen jetzt überall schauen, wo wir Kosten sparen können.“
Die Trainer-Frage:Marco Kurz (39) benutzt immer wieder das Argument vom „Entwicklungsprozess“, um Rückschritte zu erklären. Ein Alibi? Außer einem Zwischenhoch im Oktober ist von Verbesserung unter seiner Regie (trotz der Verpflichtung von Benny Lauth) eher wenig zu sehen. 1860 hatte zum gleichen Zeitpunkt im letzten Jahr vier Niederlagen weniger. Die Entwicklung geht also auch bei Kurz (Vertrag bis 2010) eher in die falsche Richtung.
Die Stadion-Debatte: Während Reuter und Präsident Rainer Beeck am Arena-Vertrag bis 2025 festhalten wollen, wird der Unmut bei den Fans größer. Auf dem Aachener Tivoli gab es Anti-Arena-Plakate. „Will Rainer Beeck der Präsident sein, der 1860 in den Ruin führt?“, fragte Pro1860-Vorstand Andreas Petri kürzlich in der AZ. 27 Millionen Euro haben die Löwen seit 2005 in den Fröttmaninger Fußball-Tempel stecken müssen. Das Interesse der Fans an diesem Invest aber hält sich in Grenzen: Der Zuschauerschnitt liegt nur noch bei 26000. Sportchef Reuter hofft noch auf einen Stimmungswechsel vor dem Jahreswechsel: „Das Spiel am Sonntag gegen Nürnberg wird nochmal ein Highlight. Wenn 55000 kommen würden, wäre das ein Gewinn. Es ist jetzt ganz wichtig, dass wir uns vor der Winterpause stark präsentieren.“
Die Transfers: Verstärkungen in der Winterpause wird es – trotz der ersten Ankündigung von Präsident Beeck, Ersatz für den gefeuerten Stürmer Berkant Göktan holen zu wollen – nun wohl nicht geben. Auf die Frage, ob die Löwen sich verstärken, antwortete Reuter: „Kaum!“ Einzige Möglichkeit, doch noch einen neuen Spieler zu verpflichten: Einer der unzufriedenen Bankdrücker bittet bei Reuter um seine Freigabe und macht so, durch Einsparung des Gehalts, Geld für einen neuen Mann frei.
Das Schroth-Rätsel: Der Ex-Kapitän war seit Tagen nicht mehr auf dem Trainingsplatz. Beobachter rätseln, ob Markus Schroth, der wegen eines Knorpelschadens seit seiner Rückkehr 2007 kein Pflichtspiel für 1860 bestritten hat, nun nach langem Kampf in der Winterpause selbst aufgibt? Selbst Reuter hat wohl nur noch wenig Hoffnung auf ein Comeback: „Ich trau’s ihm zwar noch zu, aber es wird schwierig. Er hat anderthalb Jahre nicht gespielt. Ich kann keine Prognose abgeben.“ Oliver Griss