Lienen: Mannhaftes Bekenntnis

Ewald Lienen kritisierte nach dem Pokal-Triumph vor allem sich selbst. Autoriät hat er deshalb nicht verloren, sagen Experten: „Im Spitzen-Management ist es wichtig, Fehler einzugestehen.“
von  Abendzeitung
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Illustration © Rauchensteiner/Augenklick

Ewald Lienen kritisierte nach dem Pokal-Triumph vor allem sich selbst. Autoriät hat er deshalb nicht verloren, sagen Experten: „Im Spitzen-Management ist es wichtig, Fehler einzugestehen.“

MÜNCHEN Dass er keinen Mumm habe, kann man Ewald Lienen ganz sicher nicht vorwerfen. All denjenigen, die nach seinem bemerkenswerten Auftritt im Anschluss an das DFB-Pokalspiel gegen Hertha BSC Berlin befürchten, der Trainer könnte nun ein Autoritätsproblem in seiner Mannschaft haben, wirft er entgegen: „Meinen Sie, dass ich jetzt in der Mannschaft rumgehe und jeden frage, wie ihm meine Aussagen gefallen haben?“ Vermutlich nicht.

Nach der siegreichen Pokalschlacht gegen Hertha hatte Lienen öffentlich zugegeben, dass die Auswechslungen von Cooper und Beda den Löwen fast den Sieg gekostet hätten. Ein Fehlereingeständnis, wie es im Profi-Geschäft nicht üblich ist. Mögliche Folgen befürchtet Lienen jedoch nicht. „Das hat doch nichts mit Autoritätsverlust zu tun, sondern mit einer Grundeinstellung und Philosophie“, sagt er. Und die sieht bei ihm so aus: „Wenn ich meine Autorität nur aufrecht erhalten kann, indem ich meine offizielle Position ausnutze und keine Selbstkritik zulasse, dann bringt das nichts. Dann wirst du von den Spielern nicht geachtet, sondern gefürchtet.“

Eine Form von Autorität, auf die Lienen „gerne verzichten“ könne. Unverzichtbar sei dagegen, sich selbst immer wieder zu hinterfragen. „Ich erwarte von mir, dass ich selbstkritisch mit mir umgehe, und das erwarte ich von meinen Spielern. Ich würde mir zum Beispiel mal wünschen, dass sich ein Spieler hinstellt und von sich aus sagt: Das war nichts heute. Fehler einzugestehen ist mannhaft, ist selbstkritisch, ist der Weg, auf dem man sich verbessern kann.“ Das Eingestehen von Fehlern als Schlüssel zum Erfolg?

Unterstützung bei dieser These erhält der Löwen-Coach von Professor Dr. Jens Kleinert vom Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln, an der die DFB-Trainerausbildung stattfindet. „Es ist wichtig Fehler zu machen, denn sie helfen dabei, sich weiterzuentwickeln – wenn man sie anschließend analysiert“, sagt Kleinert. Er warnt aber: „Trainer und Team müssen sich im Klaren darüber sein, wie sie mit Fehlern umgehen. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass ein Trainer einen Spieler rausnimmt, und der dann sagt: „Was wollen Sie, Trainer, Sie haben doch beim letzten Mal schon einen Fehler gemacht.’ Das würde ich mir als Trainer auch verbitten.“

Dass Lienen einen Fehler zugegeben hat, ist nach Ansicht von Kleinert ein Zeichen dafür, dass er seine Autorität und Position in der Mannschaft als stark einschätzt. Ähnlich sieht es der ehemalige Handballer und heutige Managementberater Jörg Löhr: „Im Spitzensport ist es – wie im Management – wichtig, Fehler einzugestehen.“ So zeige man Führungsstärke und erhöhe die eigene Glaubwürdigkeit. Lienen habe richtig gehandelt, weil er durch sein öffentliches Eingeständnis „Fehler nicht tabuisiert, sondern eine Lernsituation für das Team“ geschaffen habe. Ein Problem gibt es jedoch: „Das darf nicht zur Gewohnheit werden“, warnt Löhr und fügt an: „Letztlich entscheidet der Erfolg, ob man sich so etwas leisten kann.“ Angst davor, dass der mal ausbleiben könnte, hat der furchtlose Lienen sicher nicht.

Alexander Neumann

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