Jens Todt: "Ein Investor? Unvorstellbar!"
AZ: Herr Todt, am Freitag spielt 1860 bei Ihnen in Bochum. Löwen-Routinier Daniel Bierofka erwartet zwei offensive Teams – wissen Sie, was Sie mit ihm gemeinsam haben?
JENS TODT: Mit Daniel Bierofka? Keine Ahnung, da muss ich passen.
Drei Länderspiele!
Ach, ist ja interessant. Ich habe keins verloren, er auch?
Natürlich.
Das ist doch prima. Aber ich muss sagen, dass ich kaum noch an meine aktive Zeit denke. Die Nationalmannschaft war eine großartige Erfahrung. Ich habe mir aber schon als Spieler geschworen, dass ich nach dem Karriereende sofort was Neues anpacke. Für mich war immer klar, dass ich nicht mit 40 am Tresen stehen und alten Heldentaten glorifizieren will.
Jetzt sind Sie Sport-Vorstand in Bochum. Bei einem Verein, dessen Fans – genau wie bei Sechzig - immer noch meinen, man spiele in der Bundesliga.
Da sind wir uns recht ähnlich, das stimmt. Bei uns gab es eine harte Zäsur. Wir mussten den Etat eindämpfen, unser Ziel in dieser Saison kann erst mal nicht der Aufstieg sein. Wir müssen uns konsolidieren.
Dieses Wort hörte man bei 1860 in den letzten Jahren jeden Tag.
Ich gebe zu, der Begriff wird im Fußball gerne überstrapaziert. Aber genau wie Sechzig müssen wir auch den Spagat schaffen, trotz hoher Erwartungen und einer großen Historie neu anzugreifen. Es ist eine große Herausforderung, überdurchschnittliche Leistungen mit durchschnittlichem Budget erwartet zu produzieren.
Man könnte meinen, Sie blicken neidvoll auf das Investor-Modell bei 1860.
Das würde ich nicht sagen. Ich stehe diesen Modellen aber grundsätzlich nicht negativ gegenüber. Für mich ist nicht jeder Investor eine Heuschrecke, wie oft befürchtet wird. Hier in Bochum wäre es aber unvorstellbar, dass ein externer Geldgeber mitreden kann. Das käme einem Kulturbruch gleich und widerspricht dem Selbstverständnis des Vereins. Hier sind traditionelle Werte sehr wichtig. Das sieht man auch auf dem Platz. Wir spielen Bochumer Fußball, mit viel Kampf und Leidenschaft.
Deswegen fährt Sechzig auch so ungerne zu Ihnen. In 15 Spielen gab es dort nie einen Sieg.
Das soll auch so bleiben. Mir gefällt die Spielweise von 1860 die wollen angreifen und Fußball spielen. Das kann uns liegen. Aber wenn die Löwen mal ins Rollen kommen, wird es gefährlich. Ich zähle sie zu den vier, fünf Mannschaften, die um den Aufstieg spielen. Für mich gehört der Verein auch nach oben, genau wie Bochum.
Sie selbst haben zehn Jahre labg Bundesliga gespielt. Nach dem Karriere-Ende aber waren sie einige Jahre Journalisten. Ein ungewöhnlicher Weg.
Das stimmt, ich habe schon als Spieler einige Praktika gemacht, beim Stern, beim Spiegel. Dort habe ich dann später auch volontiert und war Online-Redakteur. Ich habe aber weniger über Fußball berichtet, mehr über Kriminaltaten und Politik. Ich wollte einen klaren Cut. Außerdem habe ich im Fußball viele Freunde, das wäre mir zu brenzlig geworden.
Haben Sie heute mehr Verständnis für Schlagzeilen, die Ihnen eigentlich nicht gefallen?
Ich habe auf jeden Fall großen Respekt und weiß, wie Themen gemacht werden. Deswegen setze ich auch auf Transparenz und bin immer für die Reporter hier vor Ort erreichbar. Die Zeitungen hier wissen ganz genau, was wir vorhaben.
Eins noch, Sie kennen beide Seiten und können folgendes aufklären: Profis behaupten immer, nichts über sie zu lesen. Ihre Noten kennen sie trotzdem immer.
Tja, man darf ihnen nicht immer alles glauben. Die kriegen natürlich alles mit. Bei uns war es früher so: Wenn man eine vier oder eine noch schlechtere Note bekam, war klar, dass der Reporter keine Ahnung hatte. Wurden wir hingegen mit einer eins oder zwei bewertet, konnte es sich nur um einen absoluten Experten handeln.
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