Hat 1860 ein Hierarchie-Problem, Herr Poschner?
München - Gerhard Poschner ist auf Fehler-Suche. In der AZ erklärt er, dass Einzelschicksale keine Rolle spielen, die Verletzten-Misere ihn beunruhigt und das Problem der Hierarchie schnell gelöst werden muss.
AZ: Herr Poschner, am Montag und Dienstag haben die Löwen-Profis jeweils schon um 7.30 Uhr trainieren müssen...
GERHARD POSCHNER: ...dürfen, nicht müssen.
Okay, dürfen. War diese Maßnahme die Folge der Testspiel-Pleite des TSV 1860 gegen den VfB Stuttgart II?
Nein. Solche Trainingseinheiten sind fester Bestandteil einer Vorbereitung. Wenn diese Maßnahme etwas mit dem Spiel zu tun gehabt hätte, hätte man es Samstag oder Sonntag machen müssen.
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Wenn es keine direkten Folgen im Training gab, welche Folgen hatte dieses erste Spiel denn? Sie werden die Art und Weise, wie die Mannschaft aufgetreten ist, kaum kommentarlos hingenommen haben.
Nein, das kann man nicht einfach so stehen lassen. Es gab es intensive Gespräche mit diversen Spielern und natürlich auch mit der Mannschaft. Man muss die Spieler mit solchen Situationen konfrontieren, um eine Selbstreflexion zu erzwingen.
Und wie haben die Spieler reagiert?
Da bitte ich um Verständnis, dass wir das für uns behalten.
Die Fans haben nach dem 0:4 Markus von Ahlen beschimpft. Markus Rejek hat am Tag danach gesagt, man muss dem Trainer Zeit geben. Wie viel Zeit bekommt er noch? Und warum bekommt er so viel mehr Zeit als Vorgänger Ricardo Moniz?
Er wird die nötige Zeit bekommen, um erfolgreich zu sein. Und er bekommt diese Zeit, weil es unabhängig von Ergebnissen auch andere Faktoren gibt, die darüber entscheiden, wie viel Zeit ein Trainer bekommt. Ergebnisse sind natürlich das Wichtigste in der aktuellen Situation.
Sechzig hat aber keine Zeit mehr. Bei 15 verbleibenden Spielen gibt es keinen Spielraum.
Dessen sind wir uns bewusst.
Hängt Ihr Schicksal an dem von Markus von Ahlen?
Diese Frage müssen Sie, wenn, anderen stellen. Aber auch hier gilt: Einzelschicksale spielen keine Rolle.
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Haben Sie sich im Sommer 2014 verschätzt, was für eine Mannschaft es braucht, um in dieser Zweiten Liga zu bestehen?
Natürlich denken wir über unsere Entscheidungen nach, die wir getroffen haben und ob diese richtig oder falsch waren. Das ist unsere Pflicht. Sollten wir zu dem Schluss kommen, dass sie sich nicht mehr ins Positive wenden lassen, werden wir alles dafür tun, das zeitnah zu korrigieren.
Ein großes Problem der Mannschaft ist das der Hierarchie.
Das stimmt. Dieser Prozess hat aus mehreren Gründen länger gebraucht als erhofft. Da haben Verletzungen eine Rolle gespielt, die Leistung einiger Spieler...
...und auch fehlende Akzeptanz potentieller Führungsspieler?
Akzeptanz muss man sich verdienen. Nehmen wir Rubin Okotie: Der hat in der Vorbereitung im Sommer kein Tor gemacht und galt schon als komplette Fehlbesetzung. Dann trifft gegen Kaiserslautern doppelt und alles läuft von selbst. Vorher war er aber schon abgeschrieben. Das geht sehr schnell.
Bei anderen Spielern wie Gary Kagelmacher und Ilie Sanchez ging es in die entgegengesetzte Richtung sehr schnell.
Ja, weil Fehler dazu geführt haben, dass diese Spieler einen Stempel aufgedrückt bekommen haben. Da müssen sie sich rausarbeiten. Wenn sie das schaffen, wird es ihnen helfen, nicht nur akzeptiert zu werden, sondern ihre Leaderqualitäten unter Beweis zu stellen. Ilie Sanchez beispielsweise hat einen sehr hohen Anspruch an sich selbst und weiß, dass er den noch nicht erfüllt hat.
Sanchez hat in einem Interview in Spanien die Arbeit des Klubs kritisiert.
Nein, das stimmt so nicht. Er hat eine Bestandsaufnahme gemacht und Kritik geübt, was sich bei uns verbessern muss. Wer das Interview aufmerksam liest, merkt, dass daraus seine Enttäuschung spricht, dass wir in der Hinrunde zum Großteil enttäuscht haben, insbesondere, wenn man sieht, was wir als 1860 München für Möglichkeiten hätten.
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Neben Sanchez gibt es noch ein weiteres Sorgenkind: Christopher Schindler. Hat Sechzig ein Kapitäns-Problem?
Das haben wir nicht. Der Kernpunkt ist: Ob Schindler, Sanchez, Adlung, Okotie, Kagelmacher, Bülow – und weitere Spieler, die eine Führungsrolle einnehmen müssen, in der Rückrunde dazu auch in der Lage sind. Das wird ein ganz wichtiger Punkt sein.
Haben Sie das Gefühl, dass für Schindler die Bürde der Binde zu groß ist?
Schindler ist noch immer kein alter Spieler. Er ist 24. Das ist für ihn ein Prozess, wenn auch kein leichter. Aber da muss er durch. Wir sind im Profifußball.
Schindler bleibt also Kapitän?
Diese Entscheidung treffe nicht ich und wird sich bestimmt von selbst klären. Daniel Adlung hat es gut gemacht, als er Schindler ersetzt hat. Wenn Christopher wieder fit ist und auf dem Platz steht, kann er auch wieder die Binde tragen. Das entscheidet dann der Trainer.
Eine Ihrer wichtigsten Aufgaben im Januar ist die Kaderplanung. Marin Tomasov und Grzegorz Wojtkowiak sind weg. Wird Sechzig jetzt noch mal auf dem Transfermarkt aktiv?
Das ist möglich. Wir werden aber mit Sicherheit keinen Rundumschlag tätigen. Wir denken punktuell über Verstärkungen nach, und das nicht erst seit gestern. Deswegen schließe ich nichts aus.
Werden im Gegenzug noch Spieler den Verein verlassen?
Bei Tomasov und Wojtkowiak war es so, dass ihre Verträge im Sommer ausgelaufen wären. Sie wussten, dass eine Verlängerung von unserer Seite aus nicht geplant war. Deswegen haben die Spieler daraufhin einen sofortigen Wechsel angestrebt. Das ist legitim, korrekt und ehrlich. Darüber hinaus ist es kein Geheimnis, dass Bobby Wood und Markus Steinhöfer den Verein unter gewissen Umständen den Verein verlassen dürfen. Ansonsten gibt es keine weiteren Anzeichen.
Inwieweit hängen die Transferaktivitäten auch an den verletzten Spielern?
Natürlich spielt es eine Rolle, ob Bedia, Rodri, Stahl und Hain nicht nur wieder gesund, sondern auch wieder fit werden und eine Hilfe sein können. Dominik Stahl fehlt seit sieben Monaten, Hain seit elf, Rodri und Bedia seit fast vier. Das sind sehr viele Fragezeichen. Und wir können uns nicht erlauben, mit zu vielen Fragezeichen in die Rückrunde zu gehen.
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