Einmal Chaos, immer Chaos? Investoren-Drama des TSV 1860 sprengte alle Dimensionen

Diesmal sollte wirklich alles anders werden. . .
Ein Neuanfang kündigte sich an, gar eine echte Zeitenwende in der an historischen Umwälzungen eh nicht gerade armen Vereinsgeschichte sollte dem Giesinger Stadtteilklub bevorstehen.
"Ein neuer TSV 1860 ist geboren“, jubelte Vizepräsident Karl-Christian Bay am 5. Juli lauthals, nachdem der Verein per Pressemitteilung verkündet hatte, Hasan Ismaik habe seine Anteile an eine Schweizer Familienholding verkauft.
Schuldenfrei, Neubaupläne für Stadion und Sporthalle, eine glänzende Zukunft – Löwenherz, was willst Du mehr? "Das ist ein historischer Tag für unseren Verein", frohlockte Bay damals.
Ismaik zu angeblichen Investorenwechsel: "Ich habe niemals zugestimmt, dass dieser Verkauf öffentlich gemacht wird"
Bis heute ist nicht geklärt, ob der renommierte Wirtschaftsprüfer da schon ahnen konnte, wie richtig und zugleich wie unglaublich falsch er damit lag. Denn mit der – aus heutiger Sicht – übereilten Vermeldung des bevorstehenden Investorenwechsels begann eine Posse, die selbst für die stets chaotischen 1860-Verhältnisse alle Dimensionen sprengte.
Der erste Dämpfer für die zahlreichen Fans, die am Tag vor der Jahreshauptversammlung noch auf Giesings Straßen den Abschied des ungeliebten Investors mit einem spontanen Feuerwerk gefeiert hatten, kam schnell. Denn genau dieser Hasan Ismaik meldete sich nur wenige Tage später zu Wort - und dementierte knallhart. "Ich habe niemals zugestimmt, dass dieser Verkauf öffentlich gemacht wird. Im Gegenteil, ich habe ausdrücklich davor gewarnt", erklärte der Jordanier und warf den Vereinsverantwortlichen vor, die Veräußerung "bewusst falsch dargestellt" zu haben. Von "Lügen" sprach er, die Mitteilung sei gar "eine Schande".
Das alte Präsidium um Boss Robert Reisinger – vom mächtigen Löwen-Verwaltungsrat nicht erneut zu Wahl aufgestellt worden – war da allerdings schon Geschichte. Der umstrittene Präsident wollte sich nach acht Jahren an der Spitze des e.V. offenbar mit dem Investoren-Deal den großen Abschied bescheren und womöglich selbst sein eigenes Denkmal setzen.

Stattdessen stand nun sofort dessen Nachfolgeteam unter Druck. Bay versuchte sich später zu rechtfertigen: "Wir haben in bester Absicht gehandelt. Wir waren überzeugt, dass alles in trockenen Tüchern ist." Doch die Realität sah anders aus.
Vermeintlicher 1860-Käufer Thoma bei der deutschen Justiz kein Unbekannter
Ein Background-Check des vermeintlichen Käufers, die AZ hatte ihn exklusiv als den deutschen Wahl-Schweizer Matthias Thoma aus Zürich identifiziert, machte erst wenig und dann gar keine Hoffnung mehr auf einen erfolgreichen Deal. Die Ungereimtheiten häuften sich. Der 57-Jährige war bei der deutschen Justiz kein Unbekannter und hatte zuvor auch schon mit dem französischen Mode-Label Paule K ein Unternehmen in die Insolvenz geführt.
Im Nachhinein hatte Thoma behauptet, beim geplanten Kauf der Ismaik-Anteile nur als Mittelsmann aufgetreten zu sein – für wen und warum? Bestätigen ließ sich diese wie auch andere seiner Behauptungen nie. Die Spur seiner persönlichen Familienholding, über die der Deal abgewickelt werden sollte, führte zu einer Briefkastenfirma in Genf. Seriös geht in jedem Fall anders. . .
Ob Thoma jemals den, wie Branchenexperten betonen, völlig überteuerten Kaufpreis von rund 54 Millionen Euro hätte aufbringen können? Wohl kaum. Das musste – zu spät – dann auch Ismaik einsehen. Nachdem Thoma eine letzte Deadline für die Überweisung des Kaufbetrages verstreichen ließ, zog Ismaik endgültig die Reißleine. "Ich habe den Verkauf gestoppt, weil ich Zweifel an der Seriosität und der finanziellen Schlagkraft des Käufers hatte", erklärte er nach dem geplatzten Deal.
Währenddessen bemühte sich das neue Präsidium um Schadensbegrenzung. Der frisch gewählte Präsident Gernot Mang gab sich zunächst diplomatisch: "Für uns hat sich nichts geändert. Wenn die Aussagen stimmen, die Herr Ismaik gemacht hat, dann haben wir eine Basis für die Zukunft."
1860-Präsident Mang: "Natürlich ist durch diesen geplatzten Deal Vertrauen zerstört worden"
Gleichzeitig räumte er ein: "Natürlich ist durch diesen geplatzten Deal Vertrauen zerstört worden." Monate später auf dem blauen Sofa der AZ gab der gebürtige Vorarlberger dann zu, wie es zu diesem Zeitpunkt wirklich in ihm ausgesehen hatte: "Das war schon heftig. Wir waren kurz davor noch in der Messe in der Frauenkirche, waren danach Essen und dann das Telefon, zack bumm, Breaking News. Mir ist das Handy aus der Hand gefallen", erklärte Mang.
Um den anderen Löwen-Gesellschafter, Immer-Noch-Investor Hasan Ismaik, ist es derweil ruhig geworden. Keine Interviews mehr, keine seiner berühmten Posts auf seinen Social-Media-Kanälen. Seine Absicht, sich von den Löwen zu trennen, besteht weiterhin – und womöglich sogar mehr denn je. Aber ein Verkauf ist nicht in Sicht. Als die AZ kürzlich erst bei ihm in Dubai nachfragte, ob sich womöglich schon ein neuer ein Kaufinteressent gemeldet habe, antwortet er nur knapp und nüchtern: "Nein!"

Am Ende des Jahres 2025, das eigentlich das Ende der Ära Ismaik bei den Löwen bedeuten sollte, bleibt also von der großen Euphorie nur Ernüchterung übrig: Eine Pressemitteilung, die nie hätte verschickt werden dürfen. Ein ungeliebter Investor, der nach wie vor die Mehrheit hält, diese aber dringend verkaufen will. Und ein Präsidium, das die blauen Scherben zusammenkehren muss. Einmal Chaos - immer Chaos?