Die neuen Löwen: Leidenschaft statt Leidenszeit

Spielerisch hakt es beim TSV 1860, doch der neue Trainer Torsten Fröhling hat bei den Löwen die Mentalität verändert.
von  Matthias Eicher
Hat nach zwei Partien schon eine deutliche Handschrift beim TSV 1860 hinterlassen: Neu-Trainer Torsten Fröhling.
Hat nach zwei Partien schon eine deutliche Handschrift beim TSV 1860 hinterlassen: Neu-Trainer Torsten Fröhling. © dpa

München - 0:1 beim Tabellenführer Ingolstadt, der dazu noch das Spiel eindeutig bestimmte, da schwante den Fans des TSV 1860 Böses. Doch anders als in den letzten Wochen und Monaten, als sich die Sechziger in solchen Situationen in eine Mutlos-Meute verwandelten, wurde sie in der Schlussphase plötzlich von Löwen-Mut beseelt. Und dafür auch belohnt. In der 83. Minute gab es kein Halten mehr. Trainer, Assistenten, Auswechselspieler – alle rannten aufs Spielfeld und bejubelten den Ausgleich durch Jannik Bandowski. Leidenschaft statt Leidenszeit.

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„Es ist schon aufreibend. Wenn wir so weiterspielen, dann bin ich schnell zehn Jahre älter, aber das ist dann auch egal, wenn wir dabei punkten. Deswegen Freude ich mich umso mehr, dass sich die Jungs für den Aufwand belohnt haben“, sagte Fröhling nach dem oberbayerischen Derby. Schon im zweiten Spiel unter dem neuen Übungsleiter lässt sich erkennen: Die Löwen leben wieder. Die Tristesse im Abstiegskampf ist einer neuen Aufbruchsstimmung gewichen, die hauptsächlich ein Mann zu verantworten hat: Torsten Fröhling. Die AZ erklärt, warum der ehemalige U21-Coach auch bei den Profis sofort erfolgreich ist.

Minimalismus: Der deutlichste Unterschied der Fröhling-Löwen im Vergleich zum vorherigen Saisonverlauf: sie punkten. Beim 2:1 gegen St. Pauli gelang der erste Heimsieg seit Ende September. Beim Spitzenreiter FCI legte 1860 einen Zähler nach und bleibt somit unter Fröhling ungeschlagen. Vier Punkte in zwei Spielen – eine starke Auftakt-Bilanz. Auffällig: der Löwen-Minimalismus. Gegen Pauli genügten drei Torschüsse für zwei Tore, bei den Schanzern landete der einzige Schuss aufs Tor in den Maschen. Wenig Aufwand, viel Ertrag. „Wir hatten diesmal immerhin zwei Ecken“, scherzte Fröhling, „ich habe uns nicht so schlecht gesehen, dass wir völlig an die Wand gespielt wurden. Klar, haben wir keine großen Chancen gehabt, weil der letzte Pass nicht kam.“

Mentalität: Spielerisch sind die Löwen nach wie vor limitiert, die Offensive leidet unter der mangelhaften Spieleröffnung und vielen Ballverlusten. Fröhling: „Es ist alles noch nicht so, wie wir es wollen, aber auf dieser Einstellung kann man aufbauen.“ Zuvor war das Löwen-Leiden groß: Hängende Köpfe, Resignation pur. Jetzt heißt es: Leidenschaft statt Leidenszeit! Fröhling hat eine neue Mentalität entfacht.

Während sein Vorgänger Markus von Ahlen gerne alles schönredete und in rosarote Schäfchen-Wolken verpackte, trifft Fröhling die Profis durch knallharte, aber ehrliche Ansprachen dort, wo es wehtut („Das ist leblos was ihr macht. Das ist doch Alibi! Ich will Krieger sehen!“). Der 48-Jährige kann aber auch Kumpeltyp sein, vergisst nicht, die Spieler zu loben. Durch seine authentische Art packt er sie bei Ehre und Ehrgeiz. Gegen Pauli verteidigten seine Löwen die Führung leidenschaftlich, in Ingolstadt rannten sie in der Schlussphase ununterbrochen an. Es stand eine Sechzig-Elf auf dem Platz, die sich spürbar gegen die Pleite stemmte. Das hat man lange nicht gesehen...

Identifikation: Fröhling setzt bewusst auf „Löwen durch und durch“, wie er Vitus Eicher bei dessen Beförderung zum Stammkeeper nannte. Und er setzt auf Kapitän Chris Schindler, den er wieder in die Startelf berief, sowie die jungen Eigengewächse Julian Weigl, Maxmilian Wittek und Marius Wolf. Was sie gemeinsam haben? Durch ihre Adern fließt Löwen-Blut. Einem Wandervogel wie Neuzugang Anthony Annan dürfte zweifellos daran gelegen sein, nicht abzusteigen – die Identifikation mit dem Verein ist dennoch eine andere.

Coaching: Während von Ahlen das Spiel meist ruhig von der Seitenlinie beobachtete, lebt Fröhling mit. Hier ein angedeuteter Schuss, dort ein hysterischer Luftsprung, weil der letzte Pass nicht kommt. Fröhling mimt das Rumpelstilzchen, nimmt großen Einfluss auf seine Spieler: Nicht nur durch Ärger und Anweisungen, auch durch seine Wechsel beeinflusst er das Spielgeschehen positiv. Sowohl gegen Pauli, als auch gegen Ingolstadt bewies er ein goldenes Händchen: Joker Marius Wolf traf gegen Pauli zum 2:0, nun brachte er Valdet Rama zur Pause für Okotie – der war es, der Bandowskis Tor gegen seinen Ex-Klub vorbereitete. Danach tanzten sie alle – nicht nur das Rumpelstilzchen.

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