Die neue Löwen-Gier
MÜNCHEN Erfahrung hätte er zur Genüge gehabt. „Bei den Grasshopper Zürich war ich der Kabinen-DJ”, erklärt Guillermo Vallori, der vor seiner Zeit bei den Löwen viereinhalb Jahre in der Schweiz spielte: „Vor jedem Spiel habe ich die Mitspieler gefragt: Was wollt ihr hören?” Die Antworten waren immer verschieden, doch eines hatten alle Lieder gemeinsam: „Sie hatten ordentlich Bumm-Bumm”, sagt Vallori lachend. „Viel Hip-Hop, manchmal aber auch Elektro. Nach einiger Zeit hatte ich einige Platten zusammen.”
Auch bei den Löwen haben sie durchaus mal versucht, sich mit Musik aufzuputschen. Im ersten Spiel unter Alexander Schmidt bei Union Berlin probierten sie es erstmals aus. „Es hat aber nicht geklappt”, erklärt Vallori. Einige Spieler wünschten sich, das Experiment zu beenden. Nun läuft es wieder ohne Aufputschen durch Musik in der Kabine. Was die Löwen sonst machen? Kaum was.
Weil sie es nicht brauchen. Die Gier bei den Löwen stimmt auch so. Das sah man zuletzt eindrucksvoll beim 2:1-Sieg in Braunschweig. Wieder einmal kam die Mannschaft da nach einem Rückstand zurück – genau wie zwei Wochen zuvor, als die Löwen nach einem 0:1-Rückstand noch recht deutlich (3:1) in Duisburg siegten. An der richtigen Einstellung ist es wohl nicht gescheitert, dass die Aufholjagd eher schleppend in die Gänge gekommen ist. Das lag eher am Pech und individuellen Fehlern.
Alexander Schmidt jedenfalls glaubt, dass die Einstellung stimmt – und er die Spieler nun sogar ein wenig bremsen muss. „Ich habe gemerkt, dass ich nicht mehr so sehr über die Emotionsschiene kommen muss. Ich konzentriere mich auf das Faktische.” Schmidt möchte damit verhindern, dass die Mannschaft auf dem Platz verkrampft oder gar überdreht. „Hier herrscht ja schon ein viel höherer Mediendruck als bei anderen Vereinen. Da brauche ich der Mannschaft nicht auch noch zu sagen: Wir müssen und müssen. Das wissen sie selbst und pushen sich von ganz alleine.”
Bereits in sechs Partien unter Schmidt egalisierte 1860 einen Rückstand. Die Löwen wollen, nun wollen sie auch öfter mal siegen.
Einen bestimmten Lautsprecher in der Kabine haben sie aber nicht. „Das ist von Spiel zu Spiel immer unterschiedlich”, sagt Daniel Bierofka. „Die Spieler sind sowieso verschieden. Es gibt Typen, die in sich gehen, andere tragen es eher nach außen. Andere setzen sich Kopfhörer auf.”
Aha, also doch Musik. Guillermo Vallori hat sich mittlerweile jedoch angewöhnt, darauf zu verzichten. „Ich bin vor dem Anpfiff wie in einer Blase, in meiner eigenen Welt. Wenn mir ein Mitspieler eine Frage stellt, muss ich mich vorher erst einmal anstoßen, damit ich ihn überhaupt höre.” Und Bierofka sagt: „Das Training ist immer abwechslungsreich. Da geht man dann schon mit einer ganz anderen Motivation herein. Und wer als Profi vor Ligaspielen nicht motiviert ist, hat einen falschen Beruf gewählt.”
Schmidt ist nun darum bemüht, die richtige Mischung zu finden. „Man darf nun nicht jedes Spiel explizit aufpushen, sondern Woche für Woche das abrufen, was man trainiert”, sagt der Coach. Denn nach der Niederlage von Kaiserslautern bei Hertha BSC beträgt der Rückstand zum Relegationsplatz nur noch sechs Punkte – zumindest ein wenig Grund zur Hoffnung. „Wir müssen weiterhin die konzentrierte Leistung voll abrufen.” An der Gier wird es sicherlich nicht scheitern.