Die Horror-Löwen
OFFENBACH - Vierte Pleite in Serie für die Sechzger. In Sicherheit sollten sich die Löwen nicht wähnen, was den Klassenerhalt angeht. Für Manager Stefan Reuter wird’s peinlich. „Das geht langsamauf die Psyche.“
Wenigstens in einer Hinsicht brachte das Spiel der Löwen am Sonntag Klarheit: Die zwei Besinnungstage, die das Team unter der Woche in Miesbach eingelegt hat, sind ohne kurzfristigen Nutzen geblieben. Bei Kickers Offenbach kassierte die Truppe die nächste Pleite, 0:2 diesmal, es war die vierte Niederlage in Serie. Seit neun Spielen wartet das schlechteste Rückrunden-Team der Zweiten Liga (nur sieben Punkte aus 11 Spielen) nun schon auf einen Sieg.
Die grausame Bilanz und das Auftreten dieser Horror-Löwen brachte sogar den sonst so gleichmütigen Sportdirektor Stefan Reuter aus der Fassung: „Wie wir auftreten, das ist nur noch peinlich. Wir können froh sein, dass die Mannschaften hinter uns alle nicht gewonnen haben.“ Doch in Sicherheit, was den Abstieg angeht, sollten sich die Löwen nicht wähnen. Nicht bei sechs ausstehenden Spielen, das nächste folgt bereits am Donnerstag in der Allianz Arena gegen Wehen (20.15 Uhr, DSF live). Zu offenkundig sind die Probleme. Eine Analyse.
Die Psyche:
In Miesbach hatten sie beim Mountainbiken, Squashen und Tennisspielen vor allem etwas für die mentale Stärke tun wollen; Reuter fand’s „gigantisch“. Kläglich aber, dass gestern wieder mal Unkonzentriertheiten beide Gegentreffer begünstigten. Fabian Johnson unterlief ein Eigentor zum 0:1, Abwehrkollege Torben Hoffmann patzte gleichfalls. In allen Mannschaftsteilen war Unsicherheit spürbar. „So schlimm war es noch nie. Das geht langsam auf die Psyche“, sagte Offensivspieler Daniel Bierofka. „Wir sitzen in der Kabine, und keiner weiß, warum es nicht läuft.“ Torwart Philipp Tschauner forderte: „Wir müssen jetzt den Kopf frei kriegen.“ Das hat mit Kurz’ Miesbach-Ausflug demnach gar nicht geklappt.
Welche Lehren die Löwen daraus ziehen? Heute schon sollen neue Maßnahmen greifen. Ein erneutes Trainingslager bietet sich eher nicht an.
Das Betriebsklima:
Lange hat Marco Kurz, seit März 2007 im Amt, seine Mannschaft geschützt. Am Sonntag rückte er von ihr ab. „Ich sehe Spieler“, wetterte der Trainer, „die sich verstecken. Es wird jetzt der oder andere spüren, wenn er am Donnerstag gegen Wehen nicht spielt.“ Selbst gestandene Profis wie Kapitän Danny Schwarz und Torben Hoffmann müssen fürchten, vor der Partie gegen Wehen von Kurz aus dem Team genommen zu werden. Der Trainer sagte über das Auftreten in Offenbach: „Das ist nicht mein Anspruchsdenken und auch nicht das von 1860.“
Die Taktik:
Marco Kurz wollte Kickers Offenbach offenbar mit einem 4-4-2-System überraschen und beorderte Danny Schwarz, sonst Aufbauspieler in der Zentrale, ins rechte Mittelfeld. Die Maßnahme schlug fehl. Nicht der Gegner schien verwirrt, sondern Kurz’ Mannschaft; Mängel in der Abstimmung traten auf. Erst in der 57. Minute korrigierte Kurz seine Taktik. Da wechselte er Timo Gebhart als Rechtsaußen ein und schickte den bemitleidenswerten Schwarz („Ich spiele da, wo mich der Trainer hinstellt“) wieder ins Zentrum. Aber da stand es bereits 0:2. Eine Wende blieb aus.
Die Fitness:
„Wir haben oft am Limit gespielt“, hat Reuter erkannt. Am auffälligsten ist der Substanzverlust bei den Bender-Zwillingen: Lars und Sven, beide erst 18, sind seit Saisonbeginn Stammkräfte, ihr Pensum ist enorm. Zuletzt, bei der 1:3-Pleite in Fürth, hatte Kurz sie geschont. Gestern mussten sie wieder ran. Von Erholung war bei ihnen nichts zu spüren.
Auch den beiden im Herbst operierten Stürmern Antonio di Salvo (Syndesmosebandriss) und Berkant Göktan (Bandscheiben-Operation) fehlt es noch an Kraft und Durchhaltevermögen. Beide haben im Winter die Vorbereitung verpasst. Göktan: „Der Kopf will, aber die Beine sind müde.“ Mangels Alternativen kann Kurz auf die beiden nicht verzichten.
Eine Art Teufelskreis. Man muss kein Pessimist sein, um sich um diese Horror-Löwen zu sorgen.
Oliver Griss