"Der Teufelskreis der Löwen": Stadionfrage beim TSV 1860
Entweder oder, das ist hier die Frage. Ist das Grünwalder Stadion die einzig wahre Heimspielstätte? Oder sorgt das altehrwürdige Rund für die Verzwergung der Löwen? Ist ein Stadion-Neubau die einzige Chance, um Sechzig wieder zum Erfolg und in höhere Sphären des Fußballs zu führen? Oder ist das alles nur ein völlig illusorisches Luftschloss? Teil drei der AZ-Serie "Der Teufelskreis der Löwen" – die leidige Stadionfrage.
Die Spielstätten-Frage des TSV 1860 beschäftigt den Verein, seine Funktionäre und die Fans seit Jahren, seit Jahrzehnten. Ach was, seit jeher! Vom ersten Spiel der Sechzger im Jahre 1902 auf der Schyrenwiese über den Heumarkt, den Flaucher, den Giesinger Alpenplatz, bis zu einem Waldspielplatz in Holzapfelkreuth. All das ging Sechzigs erstem Spiel am "Sechzgerplatz" 1911 voraus, wo 1925 schließlich das Grünwalder Stadion errichtet wurde. Um die Geschichte abzukürzen: Seinen größten Titel hat der TSV mit der Meisterschaft 1966 auf Giesings Höhen gefeiert.
Einzug in die Allianz Arena von Anfang an zum Scheitern verurteilt
Dort begann mit dem Durchmarsch aus der damals drittklassigen Bayernliga bis in die Bundesliga auch die erfolgreichste Phase der Neuzeit, wobei 1860 von 1972 bis 1982 zwischen dem Grünwalder und dem Olympiastadion pendelte und zwischen 1994 und dem Bundesliga-Abstieg 2004 weitgehend am Olympiaberg kickte. Es folgte der Einzug in die Allianz Arena mit dem großen FC Bayern im Jahre 2005, der vielleicht nicht von vorneherein, aber unter den gegebenen Voraussetzungen (Zweite Liga, teure Cateringverträge, chronische Finanzschwäche) zum Scheitern verurteilt war.
Aus der Not geboren, aber schon zuvor von Teilen der Fankurve gefordert ("Raus aus der Arena") folgte nach dem Absturz in den Amateurfußball 2017 die Ausflucht ins Sechzgerstadion. Zurück zu den Wurzeln, wo die Giesinger zweifellos einen Teil ihrer Identität wiederfanden.
1860-Präsident Reisinger: "Unsere Wurzeln liegen in Giesing"
Seitdem scheint 1860, weil die Bayern ihre Arena-Sitze rot angestrichen haben und auch das zu sanierende Olympiastadion keine Alternative darzustellen scheint, nur noch zwei Möglichkeiten umzutreiben: das Grünwalder – oder ein Neubau auf der grünen Wiese.
"Unsere Wurzeln liegen in Giesing. Ich weiß, dass bei 1860 die Tradition vorherrscht, getätigte Fehler zu wiederholen", erklärte Präsident Robert Reisinger 2019 im AZ-Interview: "Solange ich Präsident bin, sollten wir das nicht nochmal machen. Wir haben das Stadtviertel Giesing mit unserer Rückkehr belebt. Man merkt, wo wir herkommen und wo wir bleiben müssen."
Sechzigs Stadionfrage: OB-Reiter hat 1860 ein Ultimatum gesetzt
Nicht nur Noch-Oberlöwe Reisinger, der sich auf eine aktuelle Anfrage einmal mehr "einen Ausbau auf 20.000 Zuschauer plus x" wünscht, favorisiert den Standort Giesing: der Verwaltungsrat, die Organisationen "Pro1860", "Freunde des Sechzgerstadions", "Sechzig im Sechzger" sowie die Ultras – sie alle pochen auf das einzig wahre Sechzgerstadion. Es ist Kult, es steht für den echten Fußball. Seit 2017 ist es stets ausverkauft, auch aktuell sind die Dauerkarten zwei Monate vor Saisonbeginn schon wieder alle weg.
Die einzigen Probleme: Es passen nur 15.000 Zuschauer rein, durch seinen Status als Mieter hat 1860 bei aller Grünwalder-Liebe im Vergleich mit anderen Profivereinen einen klaren Wettbewerbsnachteil. OB Dieter Reiter hat 1860 2025 eine Art Ultimatum gesetzt, was einen durch den Stadtrat längst beschlossenen Ausbau anbelangt.

1860-Investor Ismaik befürwortet Stadion-Neubau
Ob sich der designierte Präsident Gernot Mang oder gar eine Stadionkommission sich mit der Stadtspitze zusammensetzen, um die konkreten Bedingungen einer kleineren oder größeren Sanierung auszuloten? Bisher schoben sich Stadt und Verein den Schwarzen Peter zu, weil ein Ausbau-Plan aufgrund der Kombination aus Gesamtkosten (geschätzt 100 Millionen), der Höhe der künftigen Stadionmiete, einer möglichen Zweit- oder gar Erstligatauglichkeit und eines (langfristigen) Commitments der Blauen schwerlich festzuzurren war. Ob Münchens Olympia-Bewerbung neuen Schwung in die Debatte bringt?
Sechzig wäre nicht Sechzig, würde nicht ein anderes Lager das "GWS" ablehnen, teils sogar als Bruchbude verteufeln und einen Stadion-Neubau befürworten: Befeuert von Investor Hasan Ismaik, der seit dem Auszug aus der Arena immer wieder ein neues Stadion (plus Löwen-Zoo!) versprach, erhoffen sich Teile der Fanschar der Blauen ein neues Zuhause. "Ich wäre auch bereit, für einen Stadionbau oder -ausbau, der 1860 weiterbringt, nochmal 100 Millionen extra auszugeben. Es ist damals in Riem nicht am Geld gescheitert, sondern am Standort", sagt Ismaik über sein damaliges Versprechen.

Ismaik-Konzept für Stadion-Neubau lässt auf sich warten
Nicht verwunderlich, dass 1860-Fans aus der Wirtschaft eine solche Lösung goutieren, schließlich könnte der TSV in einem größeren, eigenen Stadion bessere Erlöse durch Ticketverkäufe, VIP-Plätze und Logen erzielen und es besser vermarkten. Alles nachvollziehbar, doch eine klitzekleine Hürde hat dieses Szenario schon: Finanzierung und Eigentumsverhältnisse sind völlig ungeklärt. Auch die Standortwahl erscheint kompliziert. Deshalb ist dies für die Realisten unter den Löwen nicht mehr als ein Hirngespinst.
Was nun, 1860? "Wir haben vereinbart, wenn unser Mitgesellschafter einen sofortigen Neubau präferiert, er seine konzeptionellen Vorstellungen innerhalb von drei Monaten konkretisieren möge. Vor allem auch hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Realisierbarkeit", erklärte Reisinger der AZ Mitte Februar. Das besagte Konzept lässt bisher noch auf sich warten. Ob es je kommen wird?
Wirklich schlauer ist 1860 seit Jahren nicht geworden, denn auch der Grünwalder-Ausbau steht in den Sternen. Wo liegt sie nur, die Zukunft der Löwen?